1. Einleitung
Wie nachhaltig ist es für das Individuum
Bio-Lebensmittel zu essen? Lebe ich länger, wenn ich ausschließlich Bio zu mir
nehme? Wenn nicht, was bringt es dann überhaupt Bio zu kaufen und zu
konsumieren? Was ist mit Leuten, die sich schlicht und ergreifend kein Bio
leisten können? Müssen die mit einem schlechten Gewissen leben, weil sie
wissen, dass sie ungesund essen und
trinken? Sind Bio-Produkte einem elitären Kreis vorbehalten, der sich aus
Gebildeten und Wohlhabenden zusammenstellt? Was bringt es, wenn ich als
Grundschullehrer vor meiner Klasse stehe und erkläre, dass meine Schüler doch
bitte nur Bio essen sollen, wenn ich weiß, dass ein Drittel der Kinder aus
sozialbenachteiligten Verhältnissen stammt und es sich nicht leisten kann Bio
zu kaufen? Wie mache ich einen „guten Unterricht zum Thema Nachhaltigkeit? Warum
trifft man an jeder Autobahnraststätte auf Holzfällersteaks…, muss man, wenn
man sich eh nicht bewegt hat beim Autofahren, ein 500g Steak essen um Kraft zu
tanken? Ist das nachhaltig? Ist es positiv, wenn einem stolz erzählt wir, dass
man gestern in einem Restaurant gewesen ist und dort zu Zweit für Vorspeise,
Hauptgang, Dessert und den Wein dazu nur 24€ bezahlt hat? Warum heißt der
Sonntagsbraten eigentlich Sonntagsbraten? Muss man sich da nicht fragen, ob das
Schwein, das da verarbeitet auf meinem Teller lag jemals die Sonne gesehen hat
und wie viele Tabletten Antibiotika es in sich hineinstopfen musste? Waren die
Hühner glücklich, die sich nun in feinen Streifen auf meinem Salat
wiederfinden? Oder sind sie Zeit ihres Lebens vornübergekippt, weil ihre Brust
vom Mästen zu schwer geworden ist? Gutes Fleisch ist teuer! Mal überlegt etwas
weniger davon zu essen? Ist der Wein nicht gemeingefährlich, wenn er so billig
ist? Werde ich blind, wenn ich ein zweites Glas davon zu mir nehme? Wurden die
Reben für diesen Wein gespritzt? Was passiert eigentlich mit dem Boden, wenn da
ständig Fungizide und Pestizide reinsickern? Egal, Hauptsache billig! Ich werde
im Folgenden nicht auf all diese Fragen Antworten formulieren, da dieses Thema
Stoff für ein ganzes Buch liefern würde. Sie dienen lediglich einem
Nachdenkeimpuls.
2. Bio-Lebensmittel:
Wegweiser durch den Biodschungel
Was bedeutet eigentlich „Bio“? Wann dürfen
Lebensmittelerzeuger ihre Produkte mit einem Biosiegel versehen? Wie kämpft man
sich erfolgreich durch den Biodschungel zu einem „echten“ Bioprodukt?
Bio – Lebensmittel sind ökologische Produkte,
die sich durch ihre ökologische Anbauweise sowie durch artgerechte Tierhaltung
kennzeichnen. Von einem ökologischen Produkt wird prinzipiell dann gesprochen,
wenn es gegenüber einem konventionellen Produkt den gleichen Gebrauchsnutzen
aufweist, die Herstellung, Verwendung und Entsorgung jedoch eine geringere
Umweltbelastung auslösen. Bei ökologischen Lebensmitteln im Vergleich zu
konventionellen Produkten handelt es sich um eine relative
Umweltfreundlichkeit, da im Grundsatz jedes Produkt Umweltbelastungen
hervorruft. Die Produktion und der Transport verbrauchen Energie und
Ressourcen. Besser gesagt handelt es sich bei der Herstellung ökologischer
Produkte um eine umweltfreundlichere Variante (Faltins, 2010, S.21). Gemäß den
Festlegungen der EG-Verordnung Nr.21/2092 über den ökologischen Landbau vom 21.
Juni 1991 (…) und ihren ergänzenden Rechtsvorschriften bzw. den Richtlinien der
diversen Anbauverbände (z.B. Bioland, Demeter) sind unter
„Bio-Produkten/Lebensmittel alle diejenigen Lebensmittel zu verstehen die unter
kontrollierten Anbaubedingungen produziert werden (Woesse et al. 1995, S.3).
2.1
Rechtliche Rahmenbedingungen
In der gesamten Europäischen Union sind die
Bezeichnungen „Bio“ oder „Öko“ gesetzlich geschützt. Diese gesetzlichen
Vorgaben müssen erfüllt werden, um unter der Bezeichnung auf den Markt kommen
zu können. Es geht nicht nur um die Erzeugung sondern um alles, was mit der
Produktionskette zusammenhängt (Faltins, 2010). Für alle Betriebe dieser
Produktionskette gelten stringente Vorschriften um einen Mindeststandard bei
Bio-Lebensmitteln zu erreichen. Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates der
biologischen/ökologischen Erzeugnisse bildet die Gesetzesgrundlage für alle
Ebenen des Vertriebs, wie der Produktion, wie der Kontrolle und Kennzeichnung
von Bio-Produkten. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Verordnung auch
EU-Öko-Verordnung oder kurz Öko-Verordnung genannt. Im Anwendungsbereich
eingeschlossen sind folgende Produkte: lebende oder unverarbeitete Erzeugnisse,
Aquakultur, Hefen, gesammelte Meeresalgen und Wildpflanzen, Futtermittel und
Saat- und Pflanzgut. (Schirrmeister 2013, S. 4).
Die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008
der Kommission vom 5. September 2008 ergänzt die EU-Öko-Verordnung. In ihr sind
die Durchführungsvorschriften zur Öko-Verordnung des Rates über die ökologische
Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen bezüglich der
ökologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle geregelt. Allerdings gilt
dies nicht in den Bereichen, in denen die EU-Öko-Verordnung anderes geregelt
hat (Schirrmeister 2013, S. 4f.).
Weiter gelten für importierte biologische
Produkte aus Drittländern die Regeln der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der
Kommission vom 8. Dezember 2008. Zudem wird der Öko-Landbau durch das
Öko-Landbaugesetz vom 7. Dezember 2008 (BGBI. I S. 2358) komplettiert, welches
den Nutzen der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 hat. Zudem
existieren keine verbindlichen Verbandrichtlinien, die über den im Gesetz
geregelten Mindeststandard der EG-Öko-Verordnung hinausgehen und somit die
Berechtigung für die Teilnehmer, das jeweilige Verbands-Logo zu nehmen
(Finsterer, 2012).
2.2 Das
Bio-Siegel/Zertifikat
Die Fülle an Bio-Siegeln für Lebensmittel ist in
der Zwischenzeit von einer großen Unüberschaubarkeit geprägt. Zu dem
staatlichen bzw. nationalen und dem europäischen bzw. supranationalen Bio-Logo
gesellen sich inzwischen die Zertifizierungen der Anbauverbände. Sogar die
bekannten Discounter haben mittlerweile ihre eigenen Bio-Siegel kreiert. Im
Folgenden werden nicht alle Siegel benannt und erklärt. Das würde den Rahmen
dieses Blogs sprengen. Es werden lediglich die in meinen Augen wichtigsten
Trennlinien zwischen den Bio-Logos gezogen.
Wer das Deutsche Bio-Siegel bekommt regeln die
Kriterien der EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau (Schirrmeister
2013, S. 5). Es folgt nun eine Auflistungen der Bedingungen, die erfüllt werden
müssen damit das Siegel tragen darf:
- Ausschließlich die Erzeuger-, Verarbeitungs- und Importunternehmen, die sich an die gesetzlichen Vorgaben des EU-Rechts befolgen und regelmäßig kontrolliert werden, dürfen Lebensmittel mit dem „Bio“- oder „Öko“- Siegel verkaufen bzw. es überhaupt tragen.
- 95 % der Zutaten der Lebensmittel müssen aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Unter einer strengen Regelung dürfen bis zu 5 % nicht-biologische Zutaten anteilig sein.
- Was die Lebensmittelkennzeichnung angeht, ist es so, dass die zuständige Kontrollstelle in Form eines Codes vermerkt sein muss. Diese Codenummern sehen folgendermaßen aus: DE-ÖKO-OOO, DE steht für Deutschland und 000 für die jeweilige Kontrollstelle (Schirrmeister 2013, S.5).
Im Jahre 2001 wurde auf nationaler Ebene ein eigenes Bio-Siegel vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Grundlage der EG-Öko-Verordnung eingeführt (Finsterer, 2012). 87 % der deutschen Bevölkerung ist das Bio-Siegel geläufig und somit für die Unternehmen als einheitliches Instrument zur Kennzeichnung von Bio-Produkten von hoher Bedeutung. Im Zeichendschungel der Öko-Wirtschaft schafft das Siegel Transparenz, Sicherheit und eine ernsthafte Orientierungshilfe(Schirrmeister 2013, S.6).
Abb.1: Deutsches Bio-Siegel
Das
EU-Bio-Siegel ziert mittlerweile über 36 300 Produkte und steht für gute
Bioqualität. Es garantiert, dass mindestens 95 Prozent der Zutaten bio sind.
Basis ist die EG-Öko-Verordnung. Die Einhaltung der Standards wird jährlich
kontrolliert. (Stiftung Warentest 2016)
Seit dem 1. Juli 2012 gilt für alle
EU-Mitgliedstaaten ein einheitliches EU-Bio-Logo, welches auf den in Europa
hergestellten Bio-Erzeugnissen verbindlich abgebildet sein muss. Es garantiert
eben, dass es sich bei den Produkten um solche handelt, die nach der
EU-Öko-Verordnung hergestellt worden sind. Das EU-Bio-Logo verdrängt das
Deutsche Bio-Siegel nicht. Sie bestehen nebeneinander. Durch die deutschen
Anbauverbände können sowohl das EU-Bio-Logo wie auch das Deutsche Bio-Siegel durch privatwirtschaftliche
Siegel/Logos/Zertifizierungen ergänzt werden (Schirrmeister 2013, S.6).
Abb.2: EU-Bio-Logo
2.3 Öko-Anbauverbände: strenger
als das Gesetz
Bioprodukte gibt es nicht erst seit dem
Inkrafttreten der EU-Bioverordnung. Schon im Jahre 1924 entwarf der Antroposoph
Rudolf Steiner die „Geisteswissenschaftlichen Grundlagen der Landwirtschaft“. Er
war der Meinung, dass sich Landwirtschaft im Einklang mit der Natur abspielen
müsse. Ziele seien keine maximalen Erträge, sondern vielmehr müsse der Mensch
stets mit Respekt vor der Natur handeln und eine rein materialistische
Betrachtung sei unzureichend (Sabersky 2013, S.24). Vor den ersten gesetzlichen
Regelungen für die Produktion von Bio-Erzeugnissen in Europa gab es die
Öko-Anbauverbände. Die Landwirte gehen dabei ein Vertragsverhältnis mit einem
bestimmten Verband ein und folgen somit der Verpflichtung nach den jeweiligen
Verbandrichtlinien zu arbeiten. Diese
setzen wiederum verschiedenste Schwerpunkte. Beispielsweise sind Fleischprodukte
oder Milchprodukte eine Möglichkeit der Schwerpunktsetzung. Das Besondere an
den Anbauverbänden ist, dass die gesetzlichen Anforderungen der
EU-Öko-Verordnung in der Regel deutlich übertroffen werden. Das Siegel des
jeweiligen Anbauverbandes steht somit für eine gesteigerte Bio-Qualität. Die
Kontrolle wird von den Verbänden in regelmäßigen Abständen durchgeführt (
Flemmer 2014, S.24).
Abb. 3: Bioland und
Naturland
Die momentan höchste Bioqualität garantieren die Siegel der
acht Bio-Anbauverbände: Biokreis, Bioland, Biopark, Demeter, Ecoland, Ecovin,
Gäa, Naturland. Bioland bildet den Größten, Naturland ist der zweitgrößte
Verband. Die
Richtlinien der Verbände sind strenger als die des EU-Bio-Siegels: die Kooperationsbetriebe müssen
komplett auf Bioproduktion umstellen und nicht nur teilweise wie nach EG-Öko-Verordnung.
Sie erreichen somit eine Kreislaufwirtschaft. Ziel der Verbände und der EU ist eine artgerechte
Tierhaltung, aber in unterschiedlichem Maße: Bioland & Co.
erlauben pro Hektar 280 Masthühner und 140 Legehennen, während die
EG-Öko-Verordnung etwa doppelt so viele Tiere zulässt. Die Verbandsbauern Die
Bauern der Verbände müssen das Tierfutter mindestens zur Hälfte selbst
herstellen, konventionell hergestelltes Futter darf nur partiell eingesetzt
werden. Bauern, die nach EU-Vorschrift arbeiten, dürfen mehr Futtermittel aus
konventioneller Herstellung nutzen. Unterschiede bestehen auch bei der
Ackerwirtschaft. Gülle und Geflügelmist aus konventioneller Haltung sind bei
den Verbänden verboten, dafür in der EU-Bio-Produktion teilweise erlaubt. Die
Verbände gestatten in ihren Lebensmitteln noch weniger Zusatzstoffe
als die EU. Die Verwendung natürlicher Aromen
ist nur für wenige Produkte zugelassen und der Einsatz von Gentechnik
ist strengstens verboten (Stiftung Warentest 2016).
3. Das
Modell der vier Dimensionen nachhaltiger Ernährung (allgemein)
In meiner Einleitung habe ich bereits die Frage
gestellt, ob es für das Individuum gesünder ist, Bio-Lebensmittel zu
konsumieren. Wenn nicht, was für Vorteile hat es dann, wenn ich Bio-Produkte
kaufe? Kaufe ich ein Stück weit die Nachhaltigkeit ein, wenn ich Bio kaufe?
Das Modell der vier Dimensionen aus der
Ernährungsökologie, welches sich aus den gesundheitlichen, ökologischen,
sozialen und ökonomischen Dimensionen zusammensetzt, findet ebenfalls im
Forschungsfeld der nachhaltigen Ernährung Anwendung. Das Modell hat den
Vorteil, dass auf verschiedenen Systemebenen ein breiter Betrachtungshorizont ermöglicht
wird (Hoffmann, Schneider, & Leitzmann, 2011; Koerber K., 2012). Das Modell
unterscheidet sich dadurch von den klassischen internationalen und
gesellschaftlichen Theorien, dass es eine vierte Dimension, die gesundheitliche
Dimension, als eigenständige Dimension in die Betrachtung miteinbezogen hat (Schirrmeister
2013, S.15). Es betrachtet die gesamte Bandbreite der Agrar- und
Ernährungswirtschaft von der Erzeugung bis zum Verbrauch (Hoffmann, Schneider,
& Leitzmann, 2011).
Abb. 4: Die vier
Dimensionen nachhaltiger Ernährung
Die gesundheitliche
Dimension nimmt die physischen und psychischen Befindlichkeiten des
Individuums in den Blick. Die Qualität von Lebensmitteln und die Wirkungen auf
den menschlichen Organismus werden betrachtet. Das Optimum dieser Dimension ist
das Erreichen eines allgemeinen Wohlbefindens und die Ausschließung
ernährungsbedingter Krankheiten sowie Mangelerscheinungen (z.B.: Vitaminmangel)
(Hoffmann, Schneider, & Leitzmann, 2011).
Die ökologische
Dimension betrachtet alle Bestandteile der Agrar- und Ernährungswirtschaft,
die mit in Verbindung mit den natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen in
Verbindung stehen. Ein besonderes Augenmerk liegt in dieser Dimension auf den
Umweltauswirkungen. Die oberste Maxime hierbei ist der Erhalt der natürlichen
Umwelt und der Ressourcen für nachfolgende Generationen auf regionaler,
nationaler und globaler Ebene (Hoffmann, Schneider, & Leitzmann, 2011;
Koerber K., 2012).
Die ökonomische
Dimension umfasst alle wirtschaftlichen Komponenten, wie Entwicklungen von
Preisen durch Angebot und Nachfrage sowie die Kosten während des
Produktionsprozesses. Kernaufgabe dieser Dimension ist die Befriedung der
Bedürfnisse der Menschen im Bereich Ernährung, somit auch die optimale
Verteilung knapper Produkte (Hoffmann, Schneider, & Leitzmann, 2011). Die
ökonomische Dimension verlagert sich aufgrund der Globalisierung aus lokaler in
die globale Ebene, auf der die Nahrungssicherheit gegeben sein muss (Koerber
& Kretschmer, 2006).
Die soziale
Dimension hat unterschiedliche Institutionen der Gesellschaft im Blick wie
Politik und Wirtschaft. Sie schließt rechtliche, kulturelle, politische,
ethische, rechtliche und insbesondere sozio-ökonomische Fragestellungen der
Agrar- und Ernährungswirtschaft mit ein (Hoffmann, Schneider, & Leitzmann,
2011). Sie ist vor allem mit der ökonomischen Dimension verbunden (Koerber K.,
2012).
4. Ist
Bio für das Individuum gesünder?
Unter Punkt 3 habe ich das Modell der vier
Dimensionen nachhaltiger Ernährung (kurz) beschrieben. Nun werde ich unter
Einbezug dieses Modells auf den Konsum von Bio-Lebensmitteln eingehen und
insbesondere die gesundheitliche Dimension genauer beleuchten. (Eine
Betrachtung aller Dimensionen in Bezug auf Bio-Lebensmittel würde den Rahmen
dieses Blogs erneut sprengen.)
In der deutschen Geschichte gab es nie zuvor so
vielfältige Möglichkeiten sich gesund und nachhaltig zu ernähren. Sowohl die
große Auswahl als auch die gute Qualität der Lebensmittel ermöglicht dies.
Jedoch sind weiterhin in unserer Gesellschaft Krankheiten wie Diabetis
mellitus, Stuhlverstopfung, Karies, Gallensteine, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Probleme
und auch Gicht stark vertreten (Koerber & Kretschmer, 2006). Viele Menschen
kaufen nun Bio-Lebensmittel, weil sie annehmen, dass diese gesünder seien als
Produkte aus konventionellem Anbau (Koerber & Kretschmer, 2006). Ist das
wirklich so?
Viele durchgeführte Studien geben keinen klaren
Hinweis darauf, dass Bio-Lebensmittel eine bessere ernährungsphysiologische
Qualität aufweisen (Schirrmeister, 2012, S. 23). Bio-Obst und –Gemüse haben in
der Tendenz einen erhöhten Anteil an bioaktiven Stoffen wie sekundäre
Pflanzenstoffe. Ihnen wird eine gesundheitsfördernde und antioxidative Wirkung
im Rahmen der Krebsprävention nachgesagt. Einen wissenschaftlichen Befund
hierfür gibt es jedoch nicht. Auch der Vitamingehalt bei Bio-Lebensmitteln ist
nicht höher mit Ausnahme der Ascorbinsäure (Vitamin C) in Bio-Obst und –
Gemüse. In Kohl, Blattgemüse, Spinat und Kopfsalat wurden deutlich erhöhte
Werte der Ascorbinsäure nachgewiesen. Ein erhöhter Gehalt von wertvollen
Omega-3-Fettsäuren, der auf Grünfutterzugabe im ökologischen Landbau
zurückzuführen ist, konnte bei tierischen Produkten gemessen werden
(Schirrmeister, 2012, S.24). Die Stiftung Warentest führte eine Langzeitstudie
von 85 Lebensmitteln durch, mit dem Ergebnis, dass keine bessere
ernährungsphysiologische Qualität bei Bio-Lebensmitteln deutlich wurde. Die
konventionell hergestellten Produkte erzielten die gleichen Ergebnisse wie die
Bio- Erzeugnisse (Stiftung Warentest 2010). Der Konsum von Bio-Produkten bringt
somit keinen nennenswerten ernährungsphysiologischen Vorteil gegenüber
Produkten aus konventioneller Herstellung. Wenn man bedenkt, dass die
Bevölkerung in Industrieländern ohnehin mehr als ausreichend mit Vitamin C
versorgt ist, kann man auch hier nicht von einem relevanten
ernährungsphysiologischen Vorteil sprechen (Schirrmeister, 2012, S.25). Einen kleinen
Vorteil kann man lediglich im Bereich der tierischen Produkte mit ihren guten
Werten der Omega-3-Fettsäuren vermerken.
4.1 Verbraucherwartungen
an Bio-Produkte
Die Verbrauchererwartungen an die Qualität von
Bio-Lebensmitteln sind sehr hoch und umfassend: Geschmackvoll, pestizidfrei,
gesund, regional und zudem noch sozialverträglich sollten sie in den Augen der
Verbraucher sein. Die Qualität eines Bio-Lebensmittels jedoch lässt sich nicht
auf einzelne Merkmale oder Inhaltsstoffe reduzieren. Vielmehr gehören heute
alle Aspekte der Nachhaltigkeitskriterien zum Qualitätsverständnis eines
biologischen Lebensmittels. Die herkömmliche Ernährungswissenschaft beurteilt die
Qualität von Lebensmitteln oft nur anhand von Gehalten einzelner Inhaltsstoffe
oder eben anhand von Rückstandsgrenzen für unerwünschte Stoffe. Beide
Herangehensweisen sind zur Beurteilung von biologischen Lebensmitteln nicht
ausreichend. Aktuelle Metaanalysen (z.B. Metastudie aus Newcastle) zeigen, dass
sich biologische Lebensmittel von konventionellen unterscheiden und geringfügig
besser abschneiden. Eine abschließende Beurteilung aus wissenschaftlicher Sicht
ist jedoch schwierig, da in der Regel zu viele Faktoren miteinbezogen werden.
Eines ist jedoch sicher. Bio-Produkte enthalten deutlich weniger Spuren von
Pestiziden (BÖLW 2016; Schirrmeister 2012, S.44). Bio-Bauern setzen eben keine
chemisch-synthetischen Pestizide ein und somit sind die Produkte frei von
Verunreinigungen mit Pflanzenschutzmitteln. Ganz deutlich wird dies im
Gemüsebereich. 2015 ergab das Öko-Monitoring in Baden-Württemberg, dass
Bio-Gemüse im Durchschnitt 320-fach weniger mit Pestiziden belastet war als
herkömmliche Erzeugnisse (BÖLW 2016). „Weniger ist mehr“ lautet die Devise
bezüglich der Zusatzstoffe im Bio-Bereich (Kreutzberger 2014, S.194). In
Bio-Produkten werden lediglich sogenannte unverzichtbare Zusatzstoffe erlaubt.
Das sind im aktuellen Bio-Recht 48 Stoffe. Laut EU-Öko-Verordnung ist es
explizit verboten Trockenfrüchte zu schwefeln, Lebensmittel zu bestrahlen und
in Wurstwaren Phosphate zuzugeben. In der konventionellen
Lebensmittelproduktion in der EU sind es im Vergleich über 320 zugelassene
Zusatzstoffe. Zudem kommt das Verpackungsthema, das auch ein Qualitätsmerkmal
darstellt. Die EU-Öko-Verordnung stellt keine zusätzlichen Anforderungen an die
Verpackungen von Bio-Erzeugnissen. Mittlerweile gibt es allerdings einige
Bio-Verbände, die eigene Verpackungsvorschriften formuliert haben. Somit wird
langsam auch diese Lücke geschlossen (BÖLW 2016).
4.2 Zielgruppen von Bio-Käufern
Wer genau kauft Bio-Produkte?
Eingangs habe ich die Frage aufgeworfen, ob der Kauf und Verzehr von
Bio-Lebensmitteln nur einem bestimmten elitären Kreis vorbehalten ist. An
dieser Stelle werde ich kurz darauf eingehen.
Um diese Frage zu beantworten, ist
vorab zu sagen, dass es in den letzten Jahren häufig versucht wurde den
typischen Bio-Käufer zu charakterisieren. Man kam meist auf kein klares Ergebnis
(vgl. Oppermann u.a. 2006, S. 104). Der Großteil der Untersuchungen wurde
anhand soziodemographischer Merkmale durchgeführt mit den unterschiedlichsten
Ergebnissen. Viele Ergebnisse widersprechen sich sogar. Nicht im Widerspruch
steht jedoch das Bildungsniveau der Konsumenten, was darauf zurückzuführen ist,
dass hier eine intensivere Auseinandersetzung mit gesunder Ernährung
stattfindet (vgl. Spiller 2006, S.2; Rath 2008, S.11). Gründe für den Kauf bzw.
Nichtkauf von Bio Lebensmitteln sind vielmehr auf die Motive, also Gründe für
den Kauf und in den Barrieren, also gegen den Kauf von Bio-Lebensmitteln zu
sehen. Hierzu zählt beispielsweise das Wissensdefizit. Denn wer nicht weiß,
dass Bio-Produkte umweltfreundlicher hergestellt werden, der erkennt auch nicht
den ökologischen Zusatznutzen (Faltins 2010, S. 69). Einige Studien kommen
außerdem zu dem Ergebnis, dass der Bio-Konsum mit zunehmendem Einkommen steigt
(u.a. Kropp 2004). Dies ist jedoch nicht unumstritten. So gibt es auch einige
Untersuchungen, welche keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Bio-Kauf und
Einkommen feststellen konnten (u.a. Enneking 2003).
4.3 Hauptsache billig: am Beispiel von Fleischverzehr der Deutschen
In meiner Einleitung bin ich bereits
auf das Überangebot von Fleisch eingegangen (Stichwort Holzfällersteak). Ich
möchte meinen Blog mit einer Rechnung des Öko-Instituts schließen als eine Art
Ausblick nach dem Motto „Viele kleine Leute machen an vielen kleinen Orten
viele kleine Schritte in die richtige Richtung“:
Gutes Essen hat seinen Preis: Bio-Produkte
sind im Einzelhandel in der Regel teurer als herkömmlich erzeugte Lebensmittel.
Doch wie verändern sich die Kosten für Lebensmittel, wenn mit einer Umstellung
auf Bio auch die Ernährungsweise in Richtung des empfohlenen Fleischkonsums verändert wird? Im Durchschnitt
essen wir Deutschen zu viel Fleisch! An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob
eine Reduktion des Fleischkonsums die Mehrkosten, die durch den Kauf von Bio-Lebensmittel
entstehen, auffängt. Das Öko-Institut führte eine interessante Studie durch. Es
wurden auf der Basis von tatsächlichen Mahlzeiten die Kosten einer
durchschnittlichen Ernährung der Deutschen, die sich durch einen hohen Fleisch-
und Wurstkonsum auszeichnet, mit denen einer Ernährung, die auf den Empfehlungen
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse,
beruht, verglichen. Für beide Ernährungsstile wurden jeweils die Kosten auf der
Basis von herkömmlich produzierten Lebensmitteln als auch auf der Basis von Bio-Lebensmitteln
ermittelt. Wer viel Fleisch kauft und nur Bio-Lebensmittel konsumiert, zahlt
rund ein Drittel mehr als für dieselbe Konstellation der Lebensmittel aus
konventioneller Produktion. Allerdings wer weniger Fleisch und Wurst
konsumiert, sich also gesünder ernährt, und dabei nur Bio-Lebensmittel kauft,
zahlt ungefähr genauso viel für eine normale fleischlastige Ernährung. Die
Mehrkosten liegen bei 22 Ct/Tag bzw. rund 80 €/Jahr und Person. Hier ist auch
zu bedenken, dass die Erzeugung von Lebensmitteln Kosten verursacht, die sich nicht in den Lebensmittelpreisen
zeigen. Zu viel Fleisch auf dem Teller und eine nicht-nachhaltige Produktion
von Lebensmitteln führen zu hohen Kosten, die größtenteils alles bezahlen
müssen. In Deutschland fallen ca. 140€ pro Person und Jahr für
Gesundheitskosten zur Behandlung von ernährungsbedingten Krankheiten sowie ca.
30 bis 100 €/Person und Jahr für außerhalb liegende Kosten als Konsequenz von
nicht ökologischen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden an. Es ist somit
sehr notwendig, den erforderlichen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem
gemäßigten und nachhaltigen Fleischkonsum in Deutschland zu initiieren und zu
unterstützen (BÖLW 2015).
Ich denke, dass es sich auch leichter
Autofahren lässt, wenn man an der Tankstelle anstatt eines Holzfällersteaks aus
Massenproduktion eventuell einen Apfel verzehrt. Noch besser, von heimischen
Streuobstwiesen!
Literaturverzeichnis:
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Marktentwicklungen und die Perspektiven für die Erzeuger auf den Märkten für
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