Montag, 28. Februar 2022

                       

             Suchtprävention an Schulen  

 

Dieser Blogbeitrag soll einen kleinen Überblick über das Thema Suchtprävention im Kontext der Gesundheitsförderung an Schulen geben.  

Könnt ihr euch noch daran erinnern, ob und in welcher Form ihr in eurer Schulzeit über das Thema Sucht aufgeklärt worden seid?

 

Formen von Prävention

Zu Beginn müssen erst ein paar Begrifflichkeiten geklärt werden. Man unterscheidet zwischen der Primär-, der Sekundär- und der Tertiärprävention. Die Tertiärprävention zielt auf die Rehabilitation bereits Erkrankter / Abhängiger ab und spielt im schulischen Kontext kaum eine Rolle. Wenn wir also von Suchtprävention sprechen, ist die primäre oder sekundäre gemeint. Die Primärpräventation hat das Ziel, Neuerkrankungen zu verhindern und die Gesundheit zu erhalten. Die Maßnahmen richten sich an gesunde Menschen und beziehen sich auf die Reduktion und Früherkennung von Risikofaktoren (vgl. Röhrle, 2002, S. 239). Die Gesundheitsförderung kann also als eine Form der Prävention gesehen werden (vgl. ebd. S. 238). Die Sekundärpräventation kommt dann zum Einsatz, wenn bereits Risikofaktoren vorliegen. Beide Formen der Prävention sind an Schulen von großer Bedeutung. Später werden wir sehen, warum bei Jugendlichen fast immer Risikofaktoren vorhanden sind.


Geschichtliche Entwicklung des (schulischen) Präventionsgedankens

Bemühungen und Ansätze der Prävention in schulischen Kontexten sind noch relativ jung und wurden in Deutschland erst seit den 50 er und 60er Jahren konkreter (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 479 ff.). Mit Beginn der „Drogenprävention“ wurden unter „Drogen“ fast ausschließlich illegale Drogen verstanden. Die Prävention von anderen Problemen im Zusammenhang mit Alkohol, Tabak oder nicht-substanzgebundene Süchten (z.B. Magersucht oder Spielsucht) wurde kaum thematisiert. Nach und nach kam es zu einer inhaltlichen Umorientierung und aus der „Drogenprävention“ wurde eine „umfassende Suchtprävention“ (vgl. Röhrle, 2002. S. 262). 

 

Abb.2

    Frage an die Raucher unter euch: 

    Schrecken euch die Bilder auf den Zigarettenschachteln tatsächlich (noch) ab?

    Wenn ja, hat sich etwas an eurem Konsum verändert?

Frage an alle:

Denkt ihr, dass solche Schockbilder Kinder und Jugendliche davon abhalten, mit dem Rauchen anzufangen? 

   Erfüllen die Bilder ihren Zweck der Aufklärung und  Abschreckung?

 

Zu Beginn ging es vor allem auf die Aufklärung durch Informations- und Wissensvermittlung, die dem Konsum von Alkohol und anderer Drogen bei Jugendlichen entgegenwirken sollten (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 480).

Häufig war diese Wissensvermittlung mit Angstappellen kombiniert, die durch drastische Darstellungen (z.B. offener Kehlkopfkrebs, Raucherbeine) die negativen Folgen aufzeigen sollten und der Abschreckung dienen sollten. Die Wirkung war leider nur gering. Die Jugendlichen hatten jetzt zwar das Wissen über gesundheitliche Risiken und Folgeschäden, aber ihre Einstellung und ihr Verhalten änderte sich nicht (vgl. Jerusalem et al., 2003, S.253).

Diese Furchtappelle waren bzw. sind bei Kindern und Jugendlichen nur wenig erfolgreich. Unter anderem, weil die Gesundheit, aufgrund des jungen Lebensalters, als selbstverständliches Gut angesehen wird und potentielle Gesundheitsschäden zeitlich noch weit entfernt liegen (vgl. Steinbach, 2006, S. 24).

Ein Vorsorgeverhalten gilt als langweilig und „uncool“ und man möchte sich in seinem Lebensstil und seinen Erfahrungen nicht einschränken lassen (vgl. Mittag & Schaal, S. 253).

Aus diesen Gründen wurden im Laufe der Jahre neue, ganzheitliche psychosoziale Präventionsansätze entwickelt. Man versucht nun den Zusammenhang von Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbewältigung und der psychosozialen Funktionalität des Verhaltens mit einzubeziehen (vgl. Jerusalem et al., 2003, S. 253).

Mit der Zeit wurde Suchtprävention immer mehr als Aufgabe von öffentlichen Entscheidungsträger:innen definiert. Und heute werden Gesundheitsförderung und Prävention als „grundlegende Zielbereiche und übergreifende Leitlinien in den Bildungsplänen der Bundesländer thematisiert“ (Mittag & Schaal, 2018 S. 479).

 

Das Handlungsfeld Schule für Prävention und Gesundheitsförderung

Die Schule als Handlungsort macht Sinn, da Kinder und Jugendliche dort viele Jahre ihres Lebens verbringen und in ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung beeinflusst werden (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 479). Des Weiteren werden Kinder und Jugendliche in der Schule vor leistungsbezogene und soziale Anforderungen gestellt, welche es zu bewältigen gilt. Ob diese erfolgreich oder nicht bewältigt werden, hängt von ihren persönlichen und sozialen Ressourcen ab (vgl. ebd. S. 479). Mittlerweile versuchen Präventionsansätze „die psychosoziale Funktionalität von Problem- und Risikoverhaltensweisen sowie den sozialen Lebenskontext von Kindern und Jugendlichen […] zu berücksichtigen“ (Mittag & Schaal, 2018, S. 481). Hier wurde also ein salutogenetischer Ansatz entwickelt, welcher neben der Persönlichkeitsentwicklung auch das schulische Umfeld miteinbezieht (vgl. ebd., S. 481). 

Die grundliegenden Ziele der Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen, sind das frühzeitige Entgegenwirken gegen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung und gesundheitlicher Schädigungen (vgl. Röhrle, 2002, S. 239). Durch primärpräventive Maßnahmen sollen die Kinder und Jugendlichen informiert und aufgeklärt werden, zusätzlich sollen ihre sozialen Kompetenzen und ihre Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden (vgl. Steinbach, 2006, S. 24).

Im Folgenden stelle ich Euch kurz zwei Ansätze zur schulischen Gesundheitsförderung vor, welche sich im Schulalltag bewährt haben.

Das Lebenskompetenztraining (Life Skills Training):

Dieser Ansatz zielt auf die Förderung allgemeiner Kompetenzen ab und ist nicht substanzspezifisch ausgerichtet. Es werden Bewältigungsstrategien erarbeitet und eingeübt, personale Kompetenzen, Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühlt werden gestärkt. Zusätzlich werden Information und Fertigkeiten vermittelt, z.B. zu dem Thema Drogen (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 482). Diese Primär- und Sekundärprävention hat sich in Schulen bewährt und durchgesetzt.

Das Standfestigkeitstraining:


Dieses Programm konzentriert sich vor allem auf den sozialen Einfluss. Die Annahme ist, dass sich Kinder und Jugendliche leicht von ihrem sozialen Umfeld (z.B. Peers, Klassenkameraden) beeinflussen lassen. Nicht selten entsteht ein Gruppedruck, wer nicht trinkt und raucht ist „uncool“. Mit der „sozialen Immunisierung“ werden konkrete Handlungsempfehlungen erlernt, die es ermöglichen sollen, dem Gruppendruck und den Beeinflussungsversuchen standzuhalten (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 482). Die Widerstandsfähigkeit wird verbessert und die Kinder und Jugendlichen werden in ihrer Persönlichkeit unterstütz. Dieser Ansatz ist eher primärpräventiv, da er bei gering gefährdeten Kindern und Jugendlichen Wirkung zeigt. Stark gefährdete oder bereits konsumierende Kinder und Jugendliche erweisen sich eher als verhaltensresistent (vgl. ebd. S. 482).

  Abb. 1

Wart Ihr in eurer Schulzeit Gruppendruck ausgesetzt?

Habt ihr das Gefühl, dass z.B. eure erste Erfahrung mit Alkohol, stark von dem sozialen Umfeld beeinflusst wurde?

 

Drogenkonsum als entwicklungstypisches Phänomen

Der Substanzgebrauch bei Kindern und Jugendlichen beruht auf unterschiedlichen motivationalen Prozessen, die Ausdruck lebensphasentypischen Verhaltens sind (vgl. Steinbach 2006, S. 8). Vor allem der Konsum von legalen Drogen, wie Alkohol und Tabak sind aus entwicklungspsychologischer Sicht „normal“, da sich die Kinder und Jugendlichen gedanklich und handelnd mit dem Substanzkonsum auseinandersetzen, Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren. Steinbach ist der Meinung, dass das Erlernen des Umgangs mit Drogen, einer Entwicklungsaufgabe entspricht (vgl. ebd., S. 10). Hier ist aber die Unterscheidung zwischen einem experimentellen Umgang mit Drogen (Probierverhalten) und einem regelmäßigen Konsum wichtig. Letzteres ist bei Kindern vor der Pubertät als Missbrauch anzusehen. Da die Kinder in diesem Alter weder die physiologischen, noch die persönlichen Voraussetzungen haben, verantwortungsvoll mit den Substanzen umzugehen. Hier kann es zu potentiellen Gefährdungen der Entwicklung kommen (vgl. ebd. S. 10).

Mögliche Gründe legale / illegale Drogen auszuprobieren:

  •  Mittel zur Lebensbewältigung
  • Bewältigung von Konflikt- und Belastungssituationen
  • Neugierde und Grenzen austesten
  • Das soziale Umfeld / sozioökonomischer Status (Familie, Peers, Schule, …)
  •  Zugang zu gleichaltrigen Gruppen
  •  Zugehörigkeitsgefühl
  • Risikoreiches Verhalten (typisch für das Jugendalter)
  • Stressabbau und -bewältigung
  • Selbstwertsteigerung, Selbstbewusstsein
  • Vorwegnahme der Erwachsenenrolle

- 

Fallen euch weitere Gründe / (Risiko-) Faktoren ein?
 

Ihr seht, dass es sehr viele motivationale Gründe gibt, Drogen auszuprobieren und zu konsumieren. Die meisten stehen im Zusammenhang, mit der oben genannten Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbewältigung und der psychosozialen Entwicklung. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, die Suchtprävention auszuweiten und die Kinder und Jugendlichen in ihrer gesamten Persönlichkeitsentwicklung wahrzunehmen.

 

Anlaufstellen und Programme zur Suchtprävention

Wenn ihr selber in der Praxis das Thema Gesundheitsförderung und (Sucht-)Prävention behandelt, gibt es natürlich einige Organisationen und Anlaufstellen, an die Ihr euch wenden könnt.

Im Raum Stuttgart bin ich bei meiner Recherche u.a. auf das Angebot von Release U21 gestoßen. Sie bieten Informationen, Beratung und Präventionsprogramme an und gehen an Schulen, um aufzuklären.

https://www.release-stuttgart.de/beratungsangebot/praevention-information/

Weiteres Material bekommt Ihr unter https://www.sag-nein-zu-drogen.de. Hier kann man umsonst Plakate, Flyer und Broschüren für den Unterricht anfordern.

Ich bin mir sicher, dass das einige noch aus ihrer Schulzeit kennen.

Abb. 3  

Selbstverständlich kann man sich auch an die Polizei wenden.

Am besten: Einfach für den eigenen Stadtteil googeln, man findet genug 😊

Ich hoffe, Ihr konntet ein paar neue Informationen gewinnen. Ich würde mich freuen, wenn ihr die Fragen beantworten.

Einen interessanten Blogbeitrag von Jana Vokoun und Hanna Wittlinger-Mackh zum Thema Cannabis, findet ihr hier: https://gesundheitsfoerderungphl.blogspot.com/2022/02/cannabis-eine-gefahrliche-einstiegsdroge.html

 

 

 

Literatur:

-          Jerusalem, M., Klein-Heßling, J. & Mittag, W. (2003). Gesundheitsförderung und Prävention im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 11, 247-262

-          Mittag, W. & Schaal, S. (2018). Schule als Handlungsfeld psychologischer Gesundheitsförderung. In C.-W. Kohlmann, C. Salewski & M.A. Wirtz (Hrsg.), Psychologie in der Gesundheitsförderung (S. 479-491). Bern: Hogrefe.

-          Röhrle, Bernd (Hrsg.) (2002): Prävention und Gesundheitsförderung Bd. 2. Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie

-          Steinbach, Sylvia (2006): Sucht und Schule. Perspektiven der Suchtprävention bei Jugendlichen mit dem Lions Quest-Programm „Erwachsen werden“. Berlin: Logos Verlag

 

Abbildungen:

-          Abb. 1: https://apps-cloud.n-tv.de/img/20492798-1529652179000/16-9/750/imago53461950h.jpg

-           Abb. 2: https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/1a17d02f-0001-0004-0000-000001048892_w1200_r1_fpx70_fpy49.98.jpg 

-          Abb. 3.: https://www.hamburg.de/image/4659238/16x9/750/422/23526c3dca16882a90243859987153b7/LJ/so-drogenbroschuere.jpg