Donnerstag, 11. Februar 2021

Burnout - ein gesellschaftliches oder persönliches Problem?

 

Ein Blogbeitrag von Selina Manzer und Judith Schneiderhan

Einführung: 


Gestresst, übermüdet und kraftlos - ein Gefühl, das die meisten Menschen kennen. Jede*r hat

Momente im Leben, in denen Zweifel und Schwäche nicht zu vermeiden sind. Ein anstrengender Tag

bei der Arbeit/in der Uni, eine Streitsituation, ein Wendepunkt, der neue Herausforderungen mit sich

bringt oder ein gescheitertes Projekt: all diese Situationen können ein Gefühl des Unbehagens

auslösen. Ein Gefühl des Ausgebranntseins.  Ein Gefühl, das einen glauben lässt, man selbst wäre nicht gut genug. 

Ein Gefühl jedoch, welches nach einem erholsamen Schlaf oder nach einem beruhigenden Gespräch 

schnell abflacht. Normalerweise. Für immer mehr Menschen ist dieses Gefühl ein Dauerzustand, 

das sich durch deren Alltag zieht.  ,,Immer mehr”, da sich der Prozentsatz der

Menschen, bei denen Burnout diagnostiziert wurde, in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt

hat (vgl. Abb.1). Doch woher kommt dieser drastische Anstieg und wie kann die Arbeit als Pädagog*in

diese Kurve abflachen?  

 

 



Definiton Burnout:

So ziemlich Jede*r hat bereits etwas von dem Begriff ,,Burnout” gehört und sich eine mehr

oder weniger fundierte Meinung zu dem Thema gebildet.  Doch was genau steckt wirklich

hinter dem Begriff? 

Er lässt sich auf den Psychoanalytiker Herbert Freudenberger zurückführen, der den Begriff in

den 1970ern verwendete, um den Zustand eines sozial Engagierten zu beschreiben, der nicht

mehr in der Lage ist dieses Engagement aufrechtzuerhalten. ,,Burn-out” bedeutet wörtlich

übersetzt so viel wie ausbrennen (vgl. Koch u.a. 2012: 161).  

 

Burnout, Kraftlos, Skulptur, Schlaf 

 

,,Wie eine schwarze Wand” (Wagenknecht 2020: 20), die es unmöglich macht sich  

aufzurappeln und weiter zu machen. Ein Gefühl der völligen Erschöpfung. So beschreibt die

Politikerin Sahra Wagenknecht das Gefühl des Burnouts.  2019 zieht sie sich aus der

Parteiführung zurück und spricht offen über ihre Erfahrungen. Lange Zeit bevor dieser Punkt

erreicht war, fühlte sich Sahra erschöpft. Sie war müde und unausgeglichen. Dennoch sei es

bis zu diesem gewissen Punkt möglich weiterzumachen. Aufstehen und funktionieren war die

Devise, mit der sie sich lange Zeit durch den Alltag kämpfte. Erkältungen wurden unterdrückt,

Schlafmangel ignoriert. Genau so lange, bis die ,,schwarze Wand” (ebd. 2020: 20)

erschien. Schlagartig war es nicht mehr möglich zu funktionieren. An diesem Punkt setzt

Sahra einen Schlussstrich und lässt sich zwei Monate krank schreiben. Sie nimmt sich eine

Auszeit und regeneriert sich schnell.  Dieses Privileg der unbedenklichen Auszeit haben

jedoch nur Wenige. Wenige haben die finanziellen und beruflichen Mittel, sich ohne Druck und

Zeitbegrenzung auszuruhen. Genau hier sieht Sahra das Problem. Sie beschreibt einen

Teufelskreis, der sich durch extremen gesellschaftlichen Druck und Existenzängste bedingt 

(vgl. ebd. 2020: 19- 39). Hier gehts zum Podcast von Sahra Wagenknecht

 

 

Lösungsansätze

 

Die Gesellschaft ist ökonomisierter. Stress und Druck im Arbeitsmarkt sind viel präsenter, da

Abstiegsängste immer größer werden. ,,Wir haben eine Gesellschaft, in der sich alles darum

dreht aus Geld mehr Geld zu machen” (Wagenknecht 2020: 34) Die Gesellschaft ist an

einem Punkt angekommen, an dem sie sich die Frage stellen muss, ob  die Rendite von

Wenigen wichtiger ist, als die Lebensqualität von Millionen. Die realen gesellschaftlichen

Faktoren müssen demnach in den Mittelpunkt gerückt werden. Der harte Alltag, indem es

keine Pausen und keine Schwäche gibt, muss hinterfragt werden (vgl. ebd.: 43- 45). Erst

wenn offen über psychische Probleme geredet werden kann, wenn das unerreichbar sein im

Urlaub keine Schande mehr ist und wenn Gesundheitsförderung im Arbeitsalltag zur

Normalität wird, kann der starke Anstieg psychischer Krankheiten (siehe Abb.2) gebremst

werden. Solange wir in einem System leben, welches im Falle einer psychischen Behandlung

keine Verbeamtung zulässt, kann sich langfristig nicht viel verbessern. Die politische Praxis ist

gefragt.

 

 

                                                                                                        Abb.2                         

 

 

Coaching

 

Da Pädagog*innen nicht direkt die Möglichkeit haben, das politische System zu verändern,

sollte der Schwerpunkt auf der präventiven Arbeit liegen. Die positive Entwicklung ist die des Coachings 

und der Beratung, deren Angebote immer mehr verbreitet und angenommen werden. 

Gesundheitsförderung ist kein Bereich mehr über den nachgedacht werden kann wenn etwas Geld übrig ist. 

Gesundheitsförderung ist unverzichtbar wenn die Arbeitskräfte voll arbeitsfähig sein und bleiben sollen. 

Damit wird die Arbeit als Pädagog*in immer relevanter und sollte, egal in welchem Bereich, auf die Gesundheit 

der Teilnehmenden/Klient*innen achten (vgl. Beck 2016). 

Wichtig ist dabei die Sensibilisierung für Maßnahmen, die eine psychische Gesundheit fördern sowie

die Analyse und Beseitigung von krankmachenden Faktoren. Um die psychische Gesundheit bei der

Arbeit, mit sich ständig ändernden Anforderung, zu fördern, braucht es entsprechende Konzepte in den

Unternehmen, die unter anderem Workshops, Seminare und Beratungen zu Themen wie 

z.B. Zeitmanagement, Stressbewältigung und Resilienzförderung beinhalten. Sowohl die Beteiligung an der

Entwicklung, als auch die Durchführung von Angeboten sind die Aspekte, bei denen die Arbeit der

Pädagog*innen von besonderer Bedeutung ist (vgl. BMG 2019, BMAS 2007, AG2 BGF 2009). Nur so

wird es möglich eine Gesellschaft zu schaffen, in der die psychische Gesundheit bewahrt wird. Eine

Gesellschaft, in der die Gesellschaft entschleunigt und Schwächen zulässt. Denn Burnout ist kein

persönliches, sondern ein gesellschaftliches Problem.    

Hier spricht eine Stresscoacherin mit eigener Burnout-Vergangenheit 

 

Hilfe, Hand, Anbieten, Verzweiflung   

 




Links zur Vertiefung:

Stresscoach nach einem Burnout. Wir im Saarland - Das Magazin. SR Fernsehen. 20.08.2020  
https://www.ardmediathek.de/ard/video/wir-im-saarland-das-magazin/stresscoach-nach-einem-burnout/sr-fernsehen/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9NQS1XSU1TXzkxMzI3/ 


Schade, Anne-Katrin/ Herriger, Fabian. Burn-out: "Jeden Morgen nach dem Aufwachen dachte ich: Scheiße!". 18.10.2019

https://www.zeit.de/arbeit/2019-10/burn-out-stress-arbeitsplatz-depressionen-ueberlastung-erfahrungen 


Balance Management Heribert Fischedick. Burnout - und Stress-Prävention für Unternehmer, Führungskräfte, Ärzte & Manager 28.11.2017 

https://www.youtube.com/watch?v=kwcBihcxRgc 


Addendum. Was tun gegen burnout? 11.04.2019 https://www.youtube.com/watch?v=AQMIq9ZeEqs 






Abbildungsverzeichnis: 







Literaturverzeichnis: 


Monographien:


  • Neckel, S./ Wagner, G. (2013): Leistung und Erschöpfung: Burnout in der Wettbewerbsgesellschaft. Berlin: Suhrkamp 


Podcast: 



Internetseiten und Positionspapiere:






Zeitschriften:


  • Beck, D./ Lenhardt, U. (2016): Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland:
    Verbreitung und Inanspruchnahme. Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 und 2012.
    In: Das Gesundheitswesen, Volume 78. Ausgabe 1/2016. S.56-62. 


  • Koch, U./ Broich, K. (2012): Das Burn-out-Syndrom. In: Bundesgesundheitsblatt, Ausgabe 2/2012, S. 161 f.



Dienstag, 9. Februar 2021

45-Minuten-Rhythmus: ein Auslaufmodell?


Eine typische Schulstunde hat in Deutschland 45 Minuten, doch wechseln immer mehr Schulen zu 60-Minuten-Stunden. Doch warum wurde eine Schulstunde so festgelegt, wenn eine Zeitstunde aus 60 Minuten besteht? Fanden Wissenschaftler eines Tages heraus, dass SchülerInnen besser im 45 Minutentakt lernen? Uns hat interessiert ob der Rhythmus der Schule optimal auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen der SchülerInnen ausgelegt ist, denn solch ein Unterricht würde weniger Stress und eine geringere gesundheitsschädigende Auswirkung auf den Körper der SchülerInnen bedeuten. Die verschiedenen Argumente für und wider unterschiedlicher Unterrichtszeiten wollen wir euch im Folgendem näherbringen.
Wenn ihr auf die blauen Wörter klickt, werdet ihr zu weiterführenden interessanten Webseiten weitergeleitet.

2. Woher kommt der 45-Minuten-Takt?

Noch fast bis ins 20. Jh., im damaligen Preußen, war Unterricht noch 60 Minuten lang und fand sowohl vormittags und nachmittags statt. Ein Kritikpunkt am Nachmittagsunterricht war, dass nach dem Mittagessen “die Verdauungstätigkeit” einsetzte und dies “einen hemmenden Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit” ausübte. Untersuchungen der experimentellen Psychologie kamen damals zum Ergebnis, dass die 60-Minuten-Taktung gesundheitsschädigend und nicht förderlich für das Lernen sei. 1911 legte der preußische Kultusminister die Unterrichtsstunden in allen höheren Lehranstalten auf 45 Minuten fest. Die 32 Wochenstunden konnten so komplett auf den Vormittag gelegt werden. 

3. Vor- und Nachteile der Unterrichtsstunden

3.1 Methodik: Passen moderne Unterrichtsformen noch in den 45-Minuten-Takt?

Ähnlich zu heutigen LehrerInnen übten damalige Lehrer schon die Kritik aus, dass der 45 minütige Unterricht zu starr sei und den Lehrstoff in zu wenig Zeit presse. In Einzelstunden fehle oft die Zeit für wichtige Reflexions- und Verallgemeinerungsphasen. Forscher empfehlen daher längere Unterrichtsstunden. Vorteile des 60-Minütigen-Unterrichts sind auch mehr Möglichkeiten für Unterrichtsgestaltung mit individualisierter und inklusiver Förderung.

Eine Studie untersuchte die Auswirkungen der Stundenverlängerung (60 Minuten) auf die Unterrichtsqualität. Die Fälle ergaben, dass die längeren Unterrichtsstunden eine höhere didaktische Vielfalt in der Lehrzielwahl aufwiesen und mehr Lernprozesse abgeschlossen werden konnten. Jedoch wurde auch festgestellt, dass die kognitive Aktivität gleich blieb. In einer Querschnittsstudie wurden inhaltsgleiche Unterrichtsstunden (eine Doppelstunde und zwei Einzelstunden) miteinander verglichen und diese kam zum Ergebnis, dass der Lernprozess nach den zwei Einzelstunden eher abgeschlossen sei als nach der Doppelstunde. Selbstberichte von Schulen mit 60-Minuten-Stunden, erzählen von einer positiven Lernatmosphäre und einem weniger hektischen Schulalltag. Für weniger Stress in Schulen zu sorgen wird immer wichtiger, steigen doch gesundheitliche Probleme bei SchülerInnen mit den Jahren. Stress ist aber nicht gleich ungesund, dient er doch als Voraussetzung um besonders leistungsfähig zu sein und um uns zu motivieren. Einen Einblick in gesunden und ungesunden Stress findet ihr hier. 

3.2 Konzentrationsphasen: Wann muss ein Wechsel stattfinden?

Die meisten Klagen bei SchülerInnen über mangelnde Konzentration aus unrealistischen Erwartungen. Denn Konzentrationsfähigkeit ist nicht angeboren, sondern wird erlernt. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne im Alter von 10-14 liegt bei ca. 25 Minuten. Naturwissenschaftler argumentieren deshalb gegen 90 Minuten, da wenig schwerer Stoff durchgezogen werden könne. Außerdem bestehe die Gefahr, dass zwei 45-Minuten-Stunden einfach aneinander gehängt werden. Methodische Abwechslung soll hier helfen dem Konzentrationsverlust entgegenzuwirken. Durchschnittlich muss nach max. 25 Minuten ein Methoden- oder Unterrichtsformwechsel stattfinden. Fächer könnten in Zukunft auch flexiblere Einteilungen bekommen. Sprachen sind bspw. effektiver in kürzeren, aber häufigeren Intervallen. Pädagogen weisen zudem darauf hin, dass starre Zeitstrukturen zu Stress führen und dem Lernen entgegen wirken können. Ein anderes Argument gegen die 45 Minuten ist, dass der häufige Fächerwechsel das Lern- und Arbeitsverhalten erschwert, da der Zusammenhalt und die Konzentration verloren gehen. 

4. Endlich Pause!

4.1 Wann und wie ist Pause sinnvoll?

Pausen lohnen sich. Dies zeigen schon frühe Studien aus der Pausenforschung. Im Anschluss an eine Pause steigt die Produktivität so stark an, dass die verlorene Zeit nicht nachgeholt werden muss. 

"Es gibt kaum Untersuchungen, in denen Pausen eine negative Wirkung haben. Manche Studien stellen keinen Effekt fest, doch die meisten belegen eine positive Wirkung." ~ Johannes Wendsche, Arbeitspsychologe

Wie lang eine Pause sein sollte ist noch unklar. Untersuchungen zeigen aber, dass viele kleine Pausen einen höheren Erholungseffekt haben als wenige lange Pausen. Am effektivsten sind Pausen, wenn sie selbst gewählt sind. Interessanterweise können erzwungene Pausen Ärger und Stress vergrößern. 

4.2 Kreative Pausengestaltung

Ob eine Pause wirksam ist hängt auch davon ab wie die Zeit genutzt wird. 

"Die Grundempfehlung ist immer, das Gegenteil von dem zu machen, was ich bei der Arbeit getan habe: Saß ich viel, sollte ich mich bewegen. War ich alleine, sollte ich mich mit anderen Menschen treffen." ~ Johannes Wendsche, Arbeitspsychologe

Nach dem DRAMMA-Modell erfüllt eine sinnvolle Pause dabei sechs Kriterien, wie bspw. die Tätigkeit für einen Moment zu vergessen. Für viele SchülerInnen fehlt es hier aber an Angeboten. Unsere Vorschläge für eine sinnvolle Pausengestaltung:


Veröffentlicht von Xenja Hass und Hanna Glaser am 09.02.2021

Quellen

Dr. Eikenbusch, G. (2010): Alternativen zur 45-Minuten-Stunde. In: https://www.beltz.de/fachmedien/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/alternativen_zum_45_minuten_takt.html abgerufen am 07.01.2021

Dr. Kailitz, S. (2019): Konzentration: Wie lange sollten Kinder still sitzen können? In: https://www.baby-und-familie.de/Entwicklung/Konzentration-Wie-lange-sollten-Kinder-still-sitzen-koennen-155387 abgerufen am 11.01.2021

Hedtke, K. (2017): Permanenter Zeitdruck: Kritik am 45-Minuten-Takt. In: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/permanenter-zeitdruck-kritik-am-45-minuten-takt/ abgerufen am 11.01.2021

Kluth, R.: Warum hat eine Schulstunde 45 Minuten? In: dhm-Blog (Deutsches Historisches Museum):  http://www.dhm.de/blog/2018/08/15/geschichten-aktuell-warum-hat-eine-schulstunde-45-minuten/ abgerufen am 04.01.2021

Pleiss, P. L. (13.07.2020): Mach mal Pause! In https://www.spektrum.de/news/arbeitspsychologie-warum-pausen-wichtig-sind/1750572 abgerufen am 05.01.2021

Röll, I. (2014): Die neue Zeitrechnung. In: https://www.focus.de/familie/schule/paedagogik/die-neue-zeitrechnung-schule_id_2233856.html abgerufen am 11.01.2021 

Wackermann, R. (2016): Der Einfluss der Stundenlänge. 45 vs. 60 Minuten auf auserwählte Aspekte der Unterrichtsqualtität im Physikunterricht am Gymnasium: Eine Prä-Post-Untersuchung mit zwei Lehrkräften. In: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2213020915001226 abgerufen am 05.01.2021

Montag, 8. Februar 2021

Zerstört der Lockdown unsere Augen? (Prävention von Kurzsichtigkeit)

Prävention von Kurzsichtigkeit bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen

Zerstört der Lockdown unsere Augen?

Kurzsichtigkeit (Myopie) mag vielen Menschen zunächst ein Begriff sein, denn immerhin sind weltweit ca. 1,4 Milliarden Menschen davon betroffen. Doch inwiefern kann Covid-19 die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung einer Myopie beeinflussen und wie können sich Erwachsene, Kinder und Jugendliche vor einer solchen Entwicklung schützen?

Der folgende Link enthält unseren Blogbeitrag in dem wir uns mit der Prävention von Kurzsichtigkeit bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt haben und mit der Frage ob der Lockdown unsere Augen zerstört.


Blogbeitrag Kurzsichtigkeit (Zerstört der Lockdown unsere Augen?)

Montag, 1. Februar 2021

Burnout – eine Volkskrankheit? 

Eine Beitrag von Victoria Böse

Was ist überhaupt ein Burn-Out? 

Der US-amerikanische Psychotherapeut Herbert Freudenberger befasste sich 1974 erstmals mit dem Thema „Burn-out. Er definierte Burn-Out damals als vermehrtes ,,Ausbrennen‘‘, was letzten Endes als der Inbegriff von Burn-Out festgelegt wurde. 

Heutzutage gibt es mehrere verschiedene Definitionen von einem Burn-Out.

„Burnout ist ein Syndrom von emotionaler Erschöpfung, Depersonalisation und verminderter subjektiver Leistungsverringerung, das unter Individuen auftreten kann, die auf irgendeine Art mit Menschen arbeiten“ (Maslach 1986, in B. Reime (Hrsg.), 2000, S. 144). 

Der Burn-Out-Zyklus:

Stadium 1: Der Zwang sich zu beweisen 

Stadium 2: Verstärkter Einsatz 

Stadium 3: Vernachlässigung eigener Bedürfnisse 

Stadium 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen Fehlleistungen treten gehäuft auf 

Stadium 5: Umdeutung von Werten 

Stadium 6: Verstärkte Verleugnung der auftretenden Probleme Zynismus, Ungeduld, Intoleranz 

Stadium 7: Rückzug Hoffnungslosigkeit 

Stadium 8: Verhaltensänderung Verstärkter Rückzug 

Stadium 9: Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit Gefühl wie eine Maschine automatisch zu funktionieren. 

Stadium 10: Innere Leere 

Stadium 11: Depression Verzweiflung, Erschöpfung 

Stadium 12: Völlige Burnout-Erschöpfung 


Die Abgrenzung Burnout zu Erschöpfung und Depression 

Erschöpfung / Burnout 

Anstrengende Lebensumstände können Menschen extrem belasten, bis sie einen Punkt erreichen, an dem sie das Gefühl haben: Ich kann nicht mehr, ich bin erschöpft, leer und ausgebrannt. Hierbei kann sowohl beruflicher Stress als auch privater Stress körperliche und psychische Beschwerden auslösen. Mögliche Ursachen hierfür sind dauerhafte Über- oder Unterforderung, ständiger Zeitdruck, Konflikte mit Kollegen, aber auch extreme Einsatzbereitschaft, die zur Vernachlässigung eigener Bedürfnisse führt. Diese beruflichen Stressfolgen sind eine häufige Ursache für Krankschreibungen und Fehltage. Es gibt jedoch keine eindeutig klare Abgrenzung zwischen Burnout und dem chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS), es ist schwierig zu differenzieren, da einige Symptome sich überschneiden. Wichtige Merkmale des CFS sind: 

➢ Halsschmerzen und geschwollene, empfindliche Lymphknoten 

➢ Muskel- und Gelenkschmerzen 

➢ Kopfschmerzen, plötzlich regelmäßig auftretende Migräneanfälle

➢ Keine Erholung im Schlaf 

➢ Grippesymptome, wie Fieber und Mattigkeit nach dem Sport

➢ Beeinträchtigung der Konzentration und des Kurzzeitgedächtnisses 

➢ Wortfindungs- und Lesestörungen 

➢ Neue, ständig wechselnde Allergien 


Anders gestaltet sich das Burnout-Syndrom. Hier treten folgende Symptome gehäuft auf: 

➢ Gefühl, unentbehrlich zu sein und nie genügend Zeit zu haben 

➢ Einschränkung sozialer Kontakte auf Kunden, Patienten, Klienten etc. 

➢ Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit und inneren Leere 

➢ bröckelndes Selbstwertgefühl 

➢ Pessimismus, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, schwindende Kreativität 

➢ Angstzustände, Schlafstörungen und Albträume 

➢ erhöhter Blutdruck, Herzklopfen und Engegefühl in der Brust 

➢ Übelkeit und Verdauungsbeschwerden 

➢ sexuelle Probleme 

➢ starke Gewichtszunahme oder -abnahme infolge veränderter Essgewohnheiten 

➢ verstärkter Konsum von Nikotin, Alkohol oder Koffein

 ➢ erhöhte Infektionsanfälligkeit 


Depression/ Burn-out 

Die Depression weist eine ähnliche Symptomatik auf wie das Burn-out Syndrom. Aufgrund dessen fällt es oft äußerst schwer diese beiden Begriffe klar voneinander zu trennen und zu unterscheiden. Gemeinsamkeiten in den Symptomen wären beispielsweise der Verlust von Motivation und der Interessen, sowie auch das Gefühl wenig kompetent zu sein und gewissen Anforderungen nicht mehr gerecht werden zu können. Die Differenzierung zwischen Burn-out und Depression ist daher nicht unbedingt auf die Symptomatik zurück zu führen, sondern darauf, dass beide aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet werden müssen. Eine Depression kann an bestimmten Haupt- und Nebensymptomen erkannt werden: 

Hauptsymptome: 

➢ niedergedrückte Stimmung: Tiefe Niedergeschlagenheit 

➢ innere Leere und Verlust von Interessen: Empfinden weder Freude noch andere Gefühle/ Interesse geht verloren/Aufmunterungsversuchen schlagen fehl 

➢ Antriebslosigkeit und Müdigkeit, ständig geistig und körperlich erschöpft, Müdigkeit wird zum Normalzustand 


Nebensymptome:

 ➢ starke Selbstzweifel 

➢ Schuldgefühle und Selbstvorwürfe 

➢ Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen 

➢ extremes Schlafbedürfnis oder Schlafstörungen 

➢ starke Unruhe und innere Erregtheit 

➢ Verlust des sexuellen Interesses 


Diese sind deutlich zu unterscheiden von denen eines Burn-outs. Vom Burn-out betroffene Menschen sehen ihre Arbeitssituation als negativ und leiden insbesondere unter emotionaler Erschöpfung und verminderter persönlicher Leistungsfähigkeit. Der Unterschied zwischen diesen beiden Phänomenen liegt des Weiteren darin, wie erkennbar die traumatischen Erlebnisse sind, welche Wirkung sie auf Körper und Seele und welche Auswirkungen sie auf das Stresssystem haben. Die Ähnlichkeit der Symptome kann dazu führen, dass einige Menschen die Diagnose Burnout bekommen, obwohl sie eigentlich an einer Depression leiden. Gerade weil sich die Beschwerden ähneln, sollten keine voreiligen (Eigen-)Diagnosen gestellt werden. Bisher existieren noch keine einheitlichen Diagnoseinstrumente, um die Erkrankung in ihrer Gesamtheit zu erfassen. 

Viel zu selten findet eine Überweisung an Fachärztinnen und Fachärzten statt, um tatsächlich ein Burn-out feststellen zu können. Im Gegensatz zu anderen psychischen Erkrankungen ist das Burn-out eine Erkrankung, die zwischen Frauen und Männern keinen Unterschied in der Diagnosestellung als auch bei sämtlichen Therapien aufweist. Bis heute existieren noch zu wenige Untersuchungen mit dem Fokus auf eine geschlechtsspezifische Betrachtungsweise. 


Burn-out-Syndrom: Risikofaktoren 

Burnout-Risiken liegen in den individuellen Bewältigungsstrategien der einzelnen Personen. Die Art und Weise, wie man mit Belastungen und mit sich selber umgeht, hat erheblichen Einfluss darauf, ob man an einem Burn-out erkrankt oder nicht. Untersuchungen weisen darauf hin, dass folgende Persönlichkeitsstile mit einem erhöhten Risiko „auszubrennen“ verbunden sind: 

- Perfektionistische Einstellungen 

- Geringe Kompetenzerwartung

- Ein sehr ausgeprägtes Harmoniebedürfnis

- Eine externale Kontrollüberzeugung 


Der Burn- out eine von der Gesellschaft erzeugte Erkrankung? 

In unserer heutigen Gesellschaft hat sich der Burn-Out als Volkskrankheit etabliert. Doch ist er das überhaupt- eine Volkskrankheit? Kritiker sehen diese Definition als äußerst kritisch und benennen den Burn-Out eher als eine Systemkrankheit. Für unsere Gesellschaft jedoch bleibt es eine Volkskrankheit, da dies nach etwas bequem Therapierbarem eines fast alltäglichen Leidens klingt. Vor allem wird sie so dargestellt, als dass man sie leicht vermeiden ließe. Um diese Vorstellung herum ist in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Industrie entstanden, bestehend aus Wellnesstempeln, Fitnessstudios und Yoga-Kursen u.ä. als Burn-out-Prophylaxe. 

Doch wie konnte es erst soweit kommen? 

Heutzutage leben wir in einer sogenannten Yes-we-can-Gesellschaft, die dieses Krankheitsbild präventiv beeinflusst. Ja, wir können auch um Mitternacht E-Mails beantworten. Ja, wir können auch auf dem Spielplatz noch Börsenkurse checken. Ja, wir können auch im Urlaub ans Telefon gehen. Könnte ja etwas Dringendes sein. Ja wir können immer und überall erreichbar sein, man könnte ja etwas verpassen. Man hat 24 Stunden zu funktionieren. Nun gehört zur Logik des herrschenden Systems, selbst aus seinem Defizit einen neuen, Markt zu erschaffen für professionalisierte Regeneration: Entspann dich! Jedoch das als Muss dargestellte Entspannen führt letzten Endes wiederum zu Stress. Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen wir leben müssen, tragen hauptsächlich zu den Ursachen für die Entwicklung eines Burn-outs bei. Bedingt durch den Dauerstress, dem viele Menschen ausgesetzt sind, sei es durch hohe Anforderungen im Beruf und teilweise im Privatleben, oder durch zeitliche Einbindungen in den Familienalltag oder durch Veränderung von gesellschaftlich anerkannten Prioritäten. 

Wir leben in einer Gesellschaft, der eine Dauererreichbarkeit abverlangt wird, durch diese es häufig zum Zerfall von familiären und freundschaftlichen Bindungen kommen kann. Eine Gesellschaft, in der nur Resultate zählen und wenig Wert auf Persönlichkeit, zwischenmenschliche Beziehungen und Individualität gelegt wird. Unser ganzes Leben wird immer unpersönlicher und anonymer. Diese Angst des Nicht-funktionierens ist oft gepaart mit einer inneren Leere und der Unfähigkeit, neue positive Beziehungen zu beiden Geschlechtern aufzubauen. Ohne eine zwischenmenschliche Bindung kommt die Arbeit oft als Ersatzliebe ins Spiel. Kommt es nun auch auf der Arbeit zu Problemen findet man häufig kein Kompensationsfeld, auf das man ausweichen und sich mental und psychisch erholen kann. Ergebnis ist eine sich aufstauende Frustration und eine mentale Abgeschlagenheit, welche nun kaum mehr abgebaut werden kann. Viele flüchten sich daher in Abhängigkeiten durch Alkohol, Drogen,etc., da viele das Gefühl haben ein sinnentleertes Leben zu führen, ein Burn-out Leben. Oftmals wird dies von Arbeitgebern nicht registriert und vermitteln darüber hinaus weiterhin die Botschaft: Halte deinen Stress aus, denn es gibt andere, die viel mehr Stress haben. 


Burnout vorbeugen 

Man kann ein Burnout in zweierlei Lebensformen vorbeugen, zum einen im privaten Raum, als auch am Arbeitsplatz. Im Privatleben sollte man vor allem folgenden Punkte beachten: 

✓ Eigene Bedürfnisse wahrnehmen

✓ Grundbedürfnisse aufdecken

✓ Stressmanagement und Entspannung 

✓ Selbstaufmerksamkeit 

✓ Stresstagebuch 

✓ Soziale Kontakte 

✓ Innere Antreiber entmachten 

✓ Klare Lebensziele definieren 

✓ Stärkung der Selbstakzeptanz 

✓ Gesunde Lebensweise 

✓ Hilfe suchen 

Ein Burnout am Arbeitsplatz ist nicht nur belastend für Betroffene, sondern auch problematisch für den Arbeitgeber. Das Wohl der Mitarbeiter sollte für das Unternehmen an oberster Stelle stehen. Folgende Punkte können Anhaltspunkte dafür sein das Burnout-risiko aufgrund von Arbeitsstress vorzubeugen: ✓ Autonomie anstreben 

✓ Zeitmanagement 

✓ Nein-Sagen 

✓ Unrealistische Erwartungen abbauen

✓ Leben und Arbeiten im Gleichgewicht 

✓ Karriereplanung 

✓ Beteiligung an Entscheidungen 

✓ Supervision 


Zusammenfassend ist jedoch zu vermerken, dass es nicht den einen Weg gibt, um aus diesem Dilemma herauszukommen. Jeder Mensch, der sich als Risikopatient für einen Burnout sieht, muss selbst für sich einen Weg finden das Stresspensum zu senken und genügend Ausgleich zu schaffen, um nicht vollständig in eine schwere Depression abzurutschen. 



Literaturverzeichnis 

https://www.burnout-info.ch/burnout_ursachen_rollenerwartungen_2.htm https://online.medunigraz.at/mug_online/wbAbs.getDocument?pThesisNr=24144&pAutorN r=&pOrgNr=1 

https://www.personalmanagement.info/hr-know-how/fachartikel/detail/das-burnoutsyndrom-die-krankheit-der-leistungsgesellschaft/ 

https://www.zeit.de/kultur/2011-10/burnout-zwischenruf/seite-2 https://www.lifeline.de/krankheiten/burnout/#ursachen https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62820/Die-Burnout-Gesellschaft 

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatikpsychotherapie/erkrankungen/burnout-syndrom/geschichte-und-abgrenzung/ https://www.gesundheitsinformation.de/was-ist-ein-burnoutsyndrom.2125.de.html?part=symptome-5i https://burnoutratgeber.wordpress.com/2011/08/11/gesellschaftliche-ursachen-desburnout/ https://www.netdoktor.de/krankheiten/depression/ https://www.praxisvita.de/burnout-oder-cfs-13138.html