Neuroenhancement - Viagra fürs Gehirn?
Nootropika – Wirkweise und Wirksamkeit
Herzlich Willkommen auf unserer Blogseite zum Thema Neuroenhancement. Vermutlich haben sich viele von euch bereits einmal in der einen oder anderen Form damit beschäftigt. Sei es nach dem Erhalt einer schlechten Note oder der Feststellung, dass man nach dem morgendlichen Kaffee den Eindruck gewinnt, Inhalte besser aufnehmen zu können. Dabei fragt man sich:
Wie kann ich besser werden? Welche Möglichkeiten gibt es und kann ich den Empfehlungen im Internet glauben?
Wir fanden das Thema interessant, da jede*r mit Selbstoptimierungstrends in Berührung kommt und wir die Polarisierung zwischen "schlechten Drogen" und "gesunden Wundermitteln" aufbrechen und dazu anregen wollen sich mit seiner eigenen Einstellung zu beschäftigen und eigene Gewohnheiten zu reflektieren.
Der Begriff "Neuroenhancement" wird häufig mit "Hirndoping" übersetzt. Dabei umfasst das “Neuroenhancement” weit mehr als die Anwendung von unerlaubten Mitteln zu Steigerung der Leistungsfähigkeit. Zu nennen wären hierbei u.a.
- Ernährung,
- Sport/Bewegung,
- Schlaf,
- Hirnstimulation und
- Nootropika.
Dieser Blogbeitrag legt den Fokus auf Nootropika und soll exemplarisch einen Überblick über gängige Substanzen geben, welchen das Potential zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit nachgesagt wird. Da viele Begrifflichkeiten in diesem Bereich häufig nicht einheitlich definiert sind, verwenden wir den Begriff des Nootropikums (Plur.: Nootropika) anhand folgender Definition: Nootropika umfassen alle Nahrungsergänzungsmittel und sonstige Wirkstoffe, die über verschiedene Mechanismen Aspekte des menschlichen Geistes, z.B. das Erinnerungsvermögen, das Lernvermögen, die Stimmung oder die (ggf. subjektive) Geschwindigkeit des Denkens verbessern bzw. verändern sollen.
Ein Versuch der Systematisierung
- Wirkstoffe zur Erhöhung der Aufmerksamkeit/Ausdauer (u.a. Stimulanzien)
- Wirkstoffe zur Verbesserung des Denk- und/Erinnerungsvermögens
Wirkmechanismen
- Steigerung/Reduzierung der Produktion von Neurotransmittern
- Anpassung der Sauerstoffversorgung des Gehirns
- Beeinflussung der Neuroplastizität
Neurotransmitter
"Neurotransmitter spielen eine entscheidende Rolle für Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Kognition, und Bewegung (Campbell/Reece 2009: 1185)":
Glutamat,
Acetylcholin,
Noradrenalin,
Serotonin,
Dopamin,
Gaba.
Eine Einwirkung auf die Ausschüttung kann abhängig vom jeweiligen Neurotransmitter und Wechselwirkungen zu einer wahrgenommen Hemmung/Erregung führen.
Auswahl der bekanntesten Nootropika
- Noopept: In
Russland als Medikament zugelassen. Entwickelt zur
Behandlung
alkoholbedingter Hirnschädigungen.
Es
gibt Hinweise auf eine Wirkung über die Ausschüttung von
“NGF”
(Nerve growth factor) und “BDNF”
(Braine-derived
neurotrophic
factor) (Vgl. Gudasheva et al. 2008).
- LSD: Wirkt u.a. über das Serotonin-System des Körpers.
- Racetame: Aktivierung des Glutamatrezeptors.
- Cholin, L-Dopa, 5-HTP: Vorstufen von Neurotransmittern.
Begrenzte Aussagekraft der Studien
Die Wirkung von
Nootropika wird auf die jeweiligen Indikationen getestet, nicht oder nur wenig
als Enhancement-Substanz an Gesunden. Dadurch gibt es nur wenige Studien an
Gesunden, welche sich oft in den Ergebnissen widersprechen. Die Studien lassen
sich untereinander kaum vergleichen, da meistens keine standardisierten Tests
zur Messung der kognitiven Fähigkeiten verwendet wurden und die
Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen teilweise sehr unterschiedlich
ausfallen. Oft werden Langzeitfolgen und Nebenwirkungen bei Dauerkonsumenten
nicht berücksichtigt und Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen in der
Wirkung werden nicht beachtet. Studien, die keinen Wirkungsnachweis liefern,
werden zum Großteil nicht publiziert. Daraus lassen sich keine allgemeinen
Empfehlungen über ihre Wirkung und ihren Einsatz im Alltagsgebrauch schließen. Es ist damit zu rechnen, dass die
positiven Wirkungen, die Neuroenhancement zugeschrieben werden, lediglich Placeboeffekte sind (Vgl.
Suhr, 2016: 91-92).
Warum denn nicht? - Was spricht dagegen?
Als Argumente gegen die Nutzung wird meist die Künstlichkeit des Mittels hervorgebracht. Weitere Argumente, die überlegt werden sollten ist der Selbstbetrug und der Fremdbetrug gegenüber denen, die keine Nootropika nutzen (ähnlich wie beim Doping im Sport). In Betracht gezogen werden sollte, die generelle Lebensführung (Sinn im Leben, Kontrolle, Effizienz) und das verschobene? Selbstverständnis. Damit gemeint ist die Selbstaufmerksamkeit, die Selbststeuerung, Langfristigkeit und Lebenskohärenz (setzt sich zusammen aus der Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit, und Sinnhaftigkeit), werden diese Faktoren nicht beachtet, kann es bei Veränderungen zu einer Identitätskrise kommen, da das Selbstbild „übergangen“ wird. Bei einer Fokussierung auf Nootropika werden zudem oft wertvolle Alternativen verdrängt. Bezogen auf die Gesellschaft steigt der soziale Druck und damit die individuelle Freiheit durch verstärkte Konkurrenz und nicht gut genug zu sein. Zudem kann Ungleichheit gefördert werden. Ein wichtiger Punkt ist, dass über Nebenwirkungen auch zu wenig bekannt ist. Es ist definitiv immer ein Eingriff in den Körper (Vgl. Fenner, 2019: 243).
Quellen:
Campbell, N., & Reece, J. (2009): Biologie (8. Aufl.). München
Deutschland: Pearson.
Fenner, D. (2019). Selbstoptimierung und Enhancement. Ein ethischer Grundriss. Tübingen: Francke. Online unter: Selbstoptimierung und Enhancement | utb-Titel ohne Reihe, Seite 243.
Gudasheva, T., Zaplina, A., Vahitova, J., Salimgareeva, M., Jamidanov, R., Seredin, S. (2008): Noopept stimulates The expression of NGF and BDNF in rat hippocampus. Moskau: Zakusov Institute of Pharmacology. Online unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19240853/
Suhr, K. (2016): Der medizinisch nicht indizierte Eingriff zur kognitiven Leistungssteigerung aus rechtlicher Sicht. Springer-Verlag
Hey Raphael, vielen Dank für deinen Blogbeitrag. Ich bin auf das Thema und den Begriff „Nootropics“ erstmals vor einigen Jahren durch die Serie „Limitless“, eine US-amerikanische Krimiserie von CBS, die auch im deutschen Free-TV lief, gestoßen, und habe mich bereits damals in Bezug auf die biologischen Hintergründe näher informiert. Ich möchte nun in meinem Kommentar nicht auf einzelne Wirkstoffe und deren allgemeine Wirkung eingehen, sondern meine Erfahrung in Bezug auf die Recherche im Allgemeinen schildern und ggf. dem ein oder anderen ein paar interessante Links (siehe unten im Text) präsentieren. Die Informationsquellen zu diesem Thema sind nahezu endlos, ob nun medizinische Studien zu einzelnen Wirkstoffen, die einfach bei „Google Scholar“ oder in Datenbanken wie die der NCBI (US National Library of Medicine National Institutes of Health) zu finden sind, Erfahrungsberichte und Diskussionen in Foren wie z.B. Reddit (reddit.com/r/Nootropics/) oder spezifisch auf das Thema bezogen (z.B. longecity.org), und eine überwältigende Fülle an Beiträgen, die im direkten Zusammenhang mit dem Verkauf von diesen „Supplementen“ stehen.
AntwortenLöschenGerade letztere beziehen sich dann häufig auf durchaus qualitativ hochwertige Studien, in denen Formulierungen wie zum Beispiel "l-tryptophan levels are linked to depression" zu finden sind. Die Werbeindustrie formuliert diese dann aber für sich passend zu, "we put lots of l-tryptophan in our pills as it's proven to have a cognitive benefit", um.
Sich in diesen Fällen dann intensiv mit dem Studien-Material auseinanderzusetzen, bietet gerade uns als Biologie Studenten einen Einblick in die Grundlagen und Arbeitsweisen angewandter Forschung, deren Qualitätsmerkmale, Design, und aktuelle Einblicke in Bereiche der Biologie wie z.B. die Biochemie, die im Studium an der PH sehr selten thematisiert werden. An dieser Stelle würde ich gerne die Seite „scimagojr.com“ empfehlen, mit der wissenschaftliche Publikationen und die Journale, in denen diese erschienen sind, auf unterschiedliche allgemein anerkannte Qualitätsmerkmale geprüft werden können, sowie „connectedpapers.com“, deren Tool helfen kann miteinander assoziierte Publikationen zu finden.
Mein grundlegender Eindruck zum Thema bleibt der, dass in den meisten Fällen ausreichend Schlaf und Regeneration, ausgewogene Ernährung, die Reduktion von Stress, „mentale Übungen“ und sportliche Betätigung, langfristig einfacher und ohne Nebenwirkungen zu besseren Resultaten führen. Was nicht heißen soll, dass das Thema „Nootropics“ nicht mit einer wissenschaftlichen Offenheit und Neutralität diskutiert werden sollte. Die Beschäftigung mit dem Thema und ein offener Diskurs sind nicht nur für uns Biologen eine Chance etwas zu lernen, sondern auch für die Gesamtgesellschaft, in der das Thema offensichtlich zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt. (siehe folgende Betrachtung: https://books.google.com/ngrams/graph?content=nootropics%2Csmart+drugs&year_start=1920&year_end=2019&corpus=26&smoothing=30 )
Grüße
Felix Koch
Hallo Felix,
AntwortenLöschendie von dir erwähnte Offenheit und Neutralität gegenüber diesem Thema ist wichtig, dass man sich vertieft mit der Thematik auseinandersetzen kann, ohne emotional voreingenommen zu sein und sich seine eigene Meinung zu bilden und sich entsprechend zu verhalten. Wie steht ihr dazu, inwiefern soll vor den "negativen" Konsequenzen gewarnt werden?
Viele Grüße
Nadja Blumrich
Hallo Raphael,
AntwortenLöschenEs ist wirklich ein sehr interessantes Thema. Gerade jedoch über mögliche negative Konsequenzen oder Nebenwirkungen sollte jedoch mehr informiert werden.
Kurz zu meinen Erfahrungen mit Nootropics.
1,3-DMAA Booster (zB der Bekannte Pre Workout Booster Jack 3D) als Nootropic oder Brain Booster hat für mich definitiv funktioniert. Durch die Einnahme vor dem Sport konnte ich damals mein Fokus sowie Energie Level deutlich erhöhen. Ich war viel konzentriert und Leistungsfähiger nach Einnahme von Pre Workout Booster mit DMAA oder DMHA.
Negativ daran war oft das "Loch" in dass man dann nach dem Training gefallen ist - vielleicht durch die Überreizung und Mischung aus Verschiedenen aufputschenden Substanzen in solchen Boostern.
Darum würde ich mich Felix auch anschließen und eher auf einen generellen gesunden Lebensstil mit ausreichend Schlaf achten. Das hat für mich mittlerweile am langen Ende den besseren Effekt. Dann lieber ein harmloser Espresso vor einer Aufgabe bei der ich mich stark fokussieren oder konzentrieren muss. Das hilft mir am besten :)
Hallo Raphael,
AntwortenLöschenvielen Dank für deinen Beitrag. Ich muss sagen, dass ich keinerlei Erfahrungen, zu diverse Mitteln zur Leistungssteigerung bzw. – optimierung habe. Das Präparat Tebonin kenne ich tatsächlich als Präparat gegen ein gelegentliches Pfeifen im Ohr in erhöhten Stresssituationen (noch kein Tinnitus). Ich denke aber, dass wir alle diese Situation kennen, in der wir sicherstellen wollen, dass die Aufnahmefähigkeit in einem bestimmten Zeitrahmen, so effizient wie möglich ist. Dies ist beispielsweise während einer Prüfung oder der Prüfungsvorbereitung der Fall. Neben dem Alltagsgeschehen, muss die Aufnahme verschiedener Themenbereiche zeitlich entsprechend aufgeteilt werden. Die Realität sieht aber oft anders aus. Selbst wenn wir von einer höchst organisierten Person ausgehen, kann der Zeitplan oft nicht eingehalten werden oder wir sitzen bereits über unseren Unterlagen und sind geistig jedoch mit einer völlig anderen Sache beschäftigt, die wir jedoch nicht aus unseren Gedanken bekommen. Ausgehend von solch einer Situation, ist es schon verlockend etwas zu haben, dass uns hilft die Leistung zu steigern oder die Aufnahmefähigkeit zu optimieren. Ich kenne Menschen, die dies scheinbar durch Tragen eines besonderen Heilsteines oder der Aufnahme einer speziellen heimischen Heilpflanze (keine bedenkliche oder verbotene Substanz!) erreichen. Völlig wertfrei und ohne dies selbst getestet zu haben, würde ich sagen selbst wenn es das Unterbewusstsein dieser Personen ist (Placebo), das bewirkt hat, dass sie sich in einer entsprechenden Situation besser fokussieren oder konzentrieren können, haben wir hierbei wenigstens keine Nebenwirkungen. Mit Ausnahme der heimischen Pflanze, was vielleicht ein schlechtes Beispiel war, denn natürlich macht die Menge das Gift.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich mich dahingehend mehr informieren müsste, was nach deinem Beitrag zufolge jedoch nicht viel bringt, da bestehende Studien dazu nur begrenzt aussagekräftig sind.
Ich kann mich dem Argument eines generell gesunden Lebensstils, mit allen zugehörenden Faktoren, wie ausreichend Schlaf, ausgewogene Ernährung, etc. als feste und langfristige Grundlage nur anschließen.
Viele Grüße
Sarah