Ein Blogbeitrag von Selina Manzer und Judith Schneiderhan
Einführung:
Gestresst, übermüdet und kraftlos - ein Gefühl, das die meisten Menschen kennen. Jede*r hat
Momente im Leben, in denen Zweifel und Schwäche nicht zu vermeiden sind. Ein anstrengender Tag
bei der Arbeit/in der Uni, eine Streitsituation, ein Wendepunkt, der neue Herausforderungen mit sich
bringt oder ein gescheitertes Projekt: all diese Situationen können ein Gefühl des Unbehagens
auslösen. Ein Gefühl des Ausgebranntseins. Ein Gefühl, das einen glauben lässt, man selbst wäre nicht gut genug.
Ein Gefühl jedoch, welches nach einem erholsamen Schlaf oder nach einem beruhigenden Gespräch
schnell abflacht. Normalerweise. Für immer mehr Menschen ist dieses Gefühl ein Dauerzustand,
das sich durch deren Alltag zieht. ,,Immer mehr”, da sich der Prozentsatz der
Menschen, bei denen Burnout diagnostiziert wurde, in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt
hat (vgl. Abb.1). Doch woher kommt dieser drastische Anstieg und wie kann die Arbeit als Pädagog*in
diese Kurve abflachen?
Definiton Burnout:
So ziemlich Jede*r hat bereits etwas von dem Begriff ,,Burnout” gehört und sich eine mehr
oder weniger fundierte Meinung zu dem Thema gebildet. Doch was genau steckt wirklich
hinter dem Begriff?
Er lässt sich auf den Psychoanalytiker Herbert Freudenberger zurückführen, der den Begriff in
den 1970ern verwendete, um den Zustand eines sozial Engagierten zu beschreiben, der nicht
mehr in der Lage ist dieses Engagement aufrechtzuerhalten. ,,Burn-out” bedeutet wörtlich
übersetzt so viel wie ausbrennen (vgl. Koch u.a. 2012: 161).
,,Wie eine schwarze Wand” (Wagenknecht 2020: 20), die es unmöglich macht sich
aufzurappeln und weiter zu machen. Ein Gefühl der völligen Erschöpfung. So beschreibt die
Politikerin Sahra Wagenknecht das Gefühl des Burnouts. 2019 zieht sie sich aus der
Parteiführung zurück und spricht offen über ihre Erfahrungen. Lange Zeit bevor dieser Punkt
erreicht war, fühlte sich Sahra erschöpft. Sie war müde und unausgeglichen. Dennoch sei es
bis zu diesem gewissen Punkt möglich weiterzumachen. Aufstehen und funktionieren war die
Devise, mit der sie sich lange Zeit durch den Alltag kämpfte. Erkältungen wurden unterdrückt,
Schlafmangel ignoriert. Genau so lange, bis die ,,schwarze Wand” (ebd. 2020: 20)
erschien. Schlagartig war es nicht mehr möglich zu funktionieren. An diesem Punkt setzt
Sahra einen Schlussstrich und lässt sich zwei Monate krank schreiben. Sie nimmt sich eine
Auszeit und regeneriert sich schnell. Dieses Privileg der unbedenklichen Auszeit haben
jedoch nur Wenige. Wenige haben die finanziellen und beruflichen Mittel, sich ohne Druck und
Zeitbegrenzung auszuruhen. Genau hier sieht Sahra das Problem. Sie beschreibt einen
Teufelskreis, der sich durch extremen gesellschaftlichen Druck und Existenzängste bedingt
(vgl. ebd. 2020: 19- 39). Hier gehts zum Podcast von Sahra Wagenknecht
Lösungsansätze
Die Gesellschaft ist ökonomisierter. Stress und Druck im Arbeitsmarkt sind viel präsenter, da
Abstiegsängste immer größer werden. ,,Wir haben eine Gesellschaft, in der sich alles darum
dreht aus Geld mehr Geld zu machen” (Wagenknecht 2020: 34) Die Gesellschaft ist an
einem Punkt angekommen, an dem sie sich die Frage stellen muss, ob die Rendite von
Wenigen wichtiger ist, als die Lebensqualität von Millionen. Die realen gesellschaftlichen
Faktoren müssen demnach in den Mittelpunkt gerückt werden. Der harte Alltag, indem es
keine Pausen und keine Schwäche gibt, muss hinterfragt werden (vgl. ebd.: 43- 45). Erst
wenn offen über psychische Probleme geredet werden kann, wenn das unerreichbar sein im
Urlaub keine Schande mehr ist und wenn Gesundheitsförderung im Arbeitsalltag zur
Normalität wird, kann der starke Anstieg psychischer Krankheiten (siehe Abb.2) gebremst
werden. Solange wir in einem System leben, welches im Falle einer psychischen Behandlung
keine Verbeamtung zulässt, kann sich langfristig nicht viel verbessern. Die politische Praxis ist
gefragt.
Abb.2
Coaching
Da Pädagog*innen nicht direkt die Möglichkeit haben, das politische System zu verändern,
sollte der Schwerpunkt auf der präventiven Arbeit liegen. Die positive Entwicklung ist die des Coachings
und der Beratung, deren Angebote immer mehr verbreitet und angenommen werden.
Gesundheitsförderung ist kein Bereich mehr über den nachgedacht werden kann wenn etwas Geld übrig ist.
Gesundheitsförderung ist unverzichtbar wenn die Arbeitskräfte voll arbeitsfähig sein und bleiben sollen.
Damit wird die Arbeit als Pädagog*in immer relevanter und sollte, egal in welchem Bereich, auf die Gesundheit
der Teilnehmenden/Klient*innen achten (vgl. Beck 2016).
Wichtig ist dabei die Sensibilisierung für Maßnahmen, die eine psychische Gesundheit fördern sowie
die Analyse und Beseitigung von krankmachenden Faktoren. Um die psychische Gesundheit bei der
Arbeit, mit sich ständig ändernden Anforderung, zu fördern, braucht es entsprechende Konzepte in den
Unternehmen, die unter anderem Workshops, Seminare und Beratungen zu Themen wie
z.B. Zeitmanagement, Stressbewältigung und Resilienzförderung beinhalten. Sowohl die Beteiligung an der
Entwicklung, als auch die Durchführung von Angeboten sind die Aspekte, bei denen die Arbeit der
Pädagog*innen von besonderer Bedeutung ist (vgl. BMG 2019, BMAS 2007, AG2 BGF 2009). Nur so
wird es möglich eine Gesellschaft zu schaffen, in der die psychische Gesundheit bewahrt wird. Eine
Gesellschaft, in der die Gesellschaft entschleunigt und Schwächen zulässt. Denn Burnout ist kein
persönliches, sondern ein gesellschaftliches Problem.
Hier spricht eine Stresscoacherin mit eigener Burnout-Vergangenheit
Links zur Vertiefung:
Stresscoach nach einem Burnout. Wir im Saarland - Das Magazin. SR Fernsehen. 20.08.2020
https://www.ardmediathek.de/ard/video/wir-im-saarland-das-magazin/stresscoach-nach-einem-burnout/sr-fernsehen/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9NQS1XSU1TXzkxMzI3/
Schade, Anne-Katrin/ Herriger, Fabian. Burn-out: "Jeden Morgen nach dem Aufwachen dachte ich: Scheiße!". 18.10.2019
Balance Management Heribert Fischedick. Burnout - und Stress-Prävention für Unternehmer, Führungskräfte, Ärzte & Manager 28.11.2017
https://www.youtube.com/watch?v=kwcBihcxRgc
Addendum. Was tun gegen burnout? 11.04.2019 https://www.youtube.com/watch?v=AQMIq9ZeEqs
Abbildungsverzeichnis:
Abb.1: Springer, A. (2019): Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2018
(je 1.000 AOK-Mitglieder) [Graph]. In: Statista.
URL:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/ [Zugriff: 19.11.2020]
Abb.2: Knieps, F./ Pfaff, H. (2019): Arbeitsunfähigkeit - AU-Tage je Fall der beschäftigten Mitglieder nach ausgewählten
Diagnosehauptgruppen (Berichtsjahr 2018) In: Psychische Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten.
URL: https://www.bkk-dachverband.de/fileadmin/Artikelsystem/Publikationen/2019/BKK_Gesundheitseport_2019_eBook.pdf [Zugriff: 19.11.2020]
Literaturverzeichnis:
Monographien:
Neckel, S./ Wagner, G. (2013): Leistung und Erschöpfung: Burnout in der Wettbewerbsgesellschaft. Berlin: Suhrkamp
Podcast:
Wagenknecht, S. (22.10.2020): Sahra Wagenknecht über Burnout und Mental Health in der Politik. [Audio- Podcast].
In: Cosmo. Danke, gut. Der Podcast über Pop und Psyche.
verfügbar unter: https://open.spotify.com/show/3uWEmqs0P9EiNjcUAzuqO7?si=6pAz7_HnSeaSO86NTcXJog
Internetseiten und Positionspapiere:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (06.02.2007): Betriebliche Gesundheitsörderung:
Die Vision der betrieblichen Gesundheitspolitik ist “gesunde Arbeit in gesunden Organisationen”.
verfügbar unter:
https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsschutz/Gesundheit-am-Arbeitsplatz/betriebliche-gesundheitsfoerderung.html
(zuletzt aufgerufen am 10.01.2021)
Arbeitsgruppe 2 “Betriebliche Gesundheitsförderung” (AG2 BGF) (29.09.09): Positionspapier Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt.
verfügbar unter:
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/positionspapier-gesundheitsfoerderung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
(zuletzt aufgerufen am 10.01.2021)
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (10.12.2019): Betreibliche Gesundheitsförderung - Umsetzung.
verfügbar unter:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/umsetzung.html
(zuletzt aufgerufen am 10.01.2021)
Zeitschriften:
Beck, D./ Lenhardt, U. (2016): Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland:
Verbreitung und Inanspruchnahme. Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 und 2012.
In: Das Gesundheitswesen, Volume 78. Ausgabe 1/2016. S.56-62.
Koch, U./ Broich, K. (2012): Das Burn-out-Syndrom. In: Bundesgesundheitsblatt, Ausgabe 2/2012, S. 161 f.