Mittwoch, 29. Dezember 2021

„If we are honest with ourselves, most of us will have to admit that we live out our lives in an ocean of fear.“ Jon Kabat-Zinn

Wie Meditation unser Gehirn beeinflusst

Angst, Sorge und das Gefühl von innerer Unruhe sind unsere alltäglichen Begleiter. Oft haben wir ein ungutes (Bauch-) Gefühl und kennen den Auslöser nicht. Es kommt vor, dass es vom „Alltagstrott“ überdeckt wird. Wir sind in Gedanken immer woanders, nicht im Hier und Jetzt, gestresst vom Leben der Sorgen und wir wissen meist nicht den Grund für unser Verhalten. Uns fehlt das Sorgenlose, der Weitblick, der Überblick. Das wäre anstrebenswert, doch es ist möglich: Weniger Stress und Sorge ist tatsächlich erlernbar durch Meditation!


Der Begriff Meditation und Achtsamkeit

„Meditation bezeichnet geistige Übungen, die darauf abzielen, heilsame geistige Gewohnheiten zu entwickeln und zu pflegen oder sich mit einer bestimmten Sichtweise oder Art, die Welt zu erleben, vertraut zu machen und diese zu verinnerlichen.“ (
1: S. 7) Man sollte dies regelmäßig praktizieren, sodass man mit diesen geistigen Übungen eine Verbesserung des Geistes und der Verbindung zu sich selbst feststellen kann. Denn die Einsicht in unser Sein kann man nur mit Übung entdecken (vgl. 1: S.2). Eine Art der Meditation ist beispielsweise die Achtsamkeitsmeditation, auch MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) genannt (2). Achtsamkeit ist einerseits eine gute Methode, Stress zu reduzieren, andererseits hat es als Ziel, sich selbst besser kennenzulernen und sich mit seinem Körper und seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen. Jon Kabat-Zinn- der Begründer der modernen Achtsamkeit ist an dieser Stelle als wichtige Person zu nennen.

Abb. 1: The Big Five of Mindfulness (nach Nilsson & Kazemi 2016)
https://www.achtsamleben.at/was-ist-achtsamkeit/



Auswirkungen von Meditation

- Entspannung und Beruhigung

 Reduktion von Ängsten und Stress (vgl. 6)

- Beruhigung des Atems

- Besserer Umgang mit Stress, Depressionen, Schlafstörungen

- Senkung des hohen Blutdrucks

- Schmerztherapie (Schmerz verbunden mit Stresssymptomen) (vgl. 3)

- Verbesserung des Immunsystems (vgl. 7)

- Verbesserung der Aufmerksamkeit, der Achtsamkeit, Empathie

Dies sind Veränderungen, die man als Meditierende*r an sich selbst wahrnimmt. Natürlich können diese bemerkbaren Veränderungen Zufall, Werbung oder Placebo- Effekt sein, jedoch lässt sich dieser Wandel ebenso wissenschaftlich belegen bzw. anatomisch erkennen und somit die Wirkung von Meditation wissenschaftlich belegen.

 

Gehirnveränderung durch Meditation- Neuroplastizität

Durch das Erlernen von Meditation und Achtsamkeit wird, wie bei anderen Lernprozessen auch, die enorme Verformbarkeit (Plastizität) des Gehirns genutzt (vgl. 3). Mit Hilfe des dauerhaften und regelmäßigen Praktizierens der Übungen können sich bestimmte Gehirnareale dauerhaft verändern (vgl. 4). „Neuroplastizität“ ist der Fachterminus (vgl. 4). Einige Hirnforscher, darunter auch Hirnforscherin Britta Hölzel oder Sarah Lazar, untersuchten die neuronalen Mechanismen der Achtsamkeitsmeditation mit MRT und fMRT- Aufnahmen. (vgl. 5).
Mit Hilfe der bildgebenden Verfahren ist es möglich, Auswirkungen von Meditations- und Achtsamkeitstrainings innerhalb des Gehirns zu erforschen. Unter dieser Thematik kam es bei der Durchführung von Studien zu spannenden Erkenntnissen (vgl.
3):

Innerhalb der Studie untersuchte ein Forscherteam bestehend aus Wissenschaftlern der Universität Gießen, aus dem Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School in Boston, USA im Jahr 2011 Kernspinttomographieaufnahmen der Gehirne von 16 Studienteilnehmer*innen. Vor und nach einem achtwöchigen Achtsamkeits-basierten Stressreduktionskurs wurden Aufnahmen der Gehirne gemacht. Zum Vergleich wurden Kernspintaufnahmen von Kontrollpersonen herangezogen, die keine Meditation durchführten. Die Wissenschaftler stellten eine Zunahme der grauen Substanz im Hippocampus bei den Meditierenden fest. Dieser Teil des Gehirns unterstützt Lern- und Gedächtnisprozesse. „Weitere Analysen zeigten Zunahmen in Regionen, die für Selbstwahrnehmung und Mitgefühl zuständig sind “ (
8). Die von den Teilnehmenden „berichteten Verbesserungen im Stresserleben gingen mit einer Abnahme der Dichte der grauen Substanz in der Amygdala einher“ (8). Diese Studie belegt, dass bereits wenige Stunden (25) an Meditation ausreichen, um anatomische Veränderungen in der Gehirnregion festzustellen. Gehirnteile, die für Lern- und Gedächtnisprozesse, Selbstwahrnehmung, Gefühlssteuerung bzw. Stressreaktionen ausschlaggebend sind, verändern sich (vgl. 3).


Abb. 2: Zunahme der grauen Substanz durch Meditation
https://i0.wp.com/zen-suedpfalz.de/wp-content/uploads/2015/12/H%C3%B6lzel-Zunahme-graue-Masse.jpg

Ebenso bei einer Studie unter anderer Leitung wurden 50 erfahrene Meditierende mit einer mittleren Meditationserfahrung von ca. 20 Jahren mit einer geeigneten Kontrollgruppe verglichen. Es ergab sich ebenso die Feststellung der Veränderung im Hippocampus-Komplex (vgl. 3 und 9).

Sarah Lazar verglich 2005 Gehirne Meditierender mit Gehirnaufnahmen nicht-Meditierender. Im Jahr 2011 scannte sie die Gehirne von Meditationsanfängern und wiederholte dies, nachdem sie ein acht-wöchiges Meditationsprogramm teilnahmen. Pro Tag meditierten sie durchschnittlich 27 Minuten. Das Ergebnis gleicht den beiden bisher genannten Studien: Die Vermehrung der grauen Substanz. „Interessant war u.a., dass bei den fünfzig Jahre alten Langzeitmeditierenden der mittlere präfrontale Kortex noch dieselbe Größe besaß, wie bei fünfundzwanzigjährigen Nicht-Meditierenden. Das ist angesichts der generellen Abnahme der Größe des Kortex im Laufe des Älterwerdens erstaunlich und weist darauf hin, dass die natürliche Abnahme des Kortex an dieser Stelle durch Meditation aufgehalten werden kann.“ (10).


Die Studien belegen Folgendes:

Die graue Substanz ist als neuronale Schaltzentrale zu sehen und somit für viele neuronale Prozesse zuständig. Sinneswahrnehmungen, Erinnerungsvermögen, Muskelbewegungen, Entscheidungsfähigkeit und Selbstkontrolle lassen sich über diese steuern. Nimmt diese zu, ist es nur wahrscheinlich, dass die meditierende Person eine Verbesserung in diesen „Kategorien“ verspürt. Außerdem ist nachgewiesen, dass Meditation, durch die Bildung von grauer Substanz, kognitive Fähigkeiten verbessert und den Alterungsprozess verlangsamt, da keine Abnahme der Substanz erfolgt (vgl.
11).
Innerhalb der Amygdala sitzt das Angst- und Gefahrenzentrum, welches für Kampf- und Fluchtreaktionen und emotionale Zustände hoher Intensität verantwortlich ist. Da dieser Teil des Kortex herunterreguliert und verkleinert wird, stellen Meditierende eine Stress-Reduktion fest (vgl.
10).


Fazit

Meditation ist nicht nur ein stilles Herumsitzen, sondern es hat eine enorme Kraft und bewirkt einiges. Es gibt unzählige Nachweise für die positiven Veränderungen, die mit Meditation einhergehen und die Verbesserung der Lebensqualität- es ist nicht nur Einbildung. Also warum nicht einmal etwas Neues ausprobieren, dass solche positiven Effekte auf die Gesundheit und unsere Gedankenwelt hat und einen neuen Zugang zu unserem Selbst ermöglicht?

„Dying without actually fully living, without waking up to our lives while we have the chance, is an ongoing and significant risk.“ Jon Kabat-Zinn



 Habt ihr selbst vielleicht Erfahrung mit Meditation?
Was haltet ihr davon, mit Schüler*innen regelmäßige Meditationsübungen durchzuführen?

 


Vielleicht können euch auch diese Blogbeiträge auf neue Ideen bringen:

Meditationsarten:
https://gesundheitsfoerderungphl.blogspot.com/search?q=meditation

Yoga:
https://gesundheitsfoerderungphl.blogspot.com/2018/03/yoga-warum-eigentlich-dieser-hype-um.html


 Weiterführende Links:

Was ist Achtsamkeit?
https://www.achtsamleben.at/was-ist-achtsamkeit/

Zusammenfassung des in diesem Blog Beschriebenen und wie Meditation unser Gehirn verändert https://www.youtube.com/watch?v=m8rRzTtP7Tc

Wirkungen und Wirkmechanismen achtsamkeitsbasierter Meditation:
Entwicklung eines Modells über die durch buddhistische Meditation ausgelösten psychischen Veränderungen im Alltag (Dissertation)
https://monarch.qucosa.de/api/qucosa%3A20519/attachment/ATT-0/

Hirnforscherin Britta Hölzel über die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit
https://www.brittahoelzel.de/medien

 

 

Literaturverzeichnis/Quellenangabe:

1: Malinowski, P. (2019). Vielfalt Meditation. Ein Überblick über Meditations- und Achtsamkeitsübungen. Wiesbaden: Springer.
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-658-24568-9.pdf

2: https://www.lernen.net/artikel/mbsr-achtsamkeitstraining-13963/

3: http://www.achtsamkeit-hd.de/ws_sept21_2.pdf

4: http://zen-suedpfalz.de/meditation/neuroplastizitaet-meditation-veraendert-gehirn/#:~:text=Meditation%20ver%C3%A4ndert%20das%20Gehirn%20%E2%80%93%20Neuroplastizit%C3%A4t%20Eine%20Reihe,dauerhaft%20ver%C3%A4ndern%20k%C3%B6nnen.%20Neuroplastizit%C3%A4t%20ist%20hier%20das%20Stichwort.

5: https://well.blogs.nytimes.com/2011/01/28/how-meditation-may-change-the-brain/?_r=0

6: https://www.lernen.net/artikel/mbsr-achtsamkeitstraining-13963/

7: https://www.verywellmind.com/what-is-meditation-2795927#toc-impact-of-meditation

8: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2011/8118/pdf/SdF_2011_01_31_35.pdf

9: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3705194/

10: http://zen-suedpfalz.de/meditation/neuroplastizitaet-meditation-veraendert-gehirn/#:~:text=Meditation%20ver%C3%A4ndert%20das%20Gehirn%20%E2%80%93%20Neuroplastizit%C3%A4t%20Eine%20Reihe,dauerhaft%20ver%C3%A4ndern%20k%C3%B6nnen.%20Neuroplastizit%C3%A4t%20ist%20hier%20das%20Stichwort.

11: http://zen-suedpfalz.de/aus-den-medien/harvard-studie-meditation-erhoeht-konzentration-der-graue-substanz-im-gehirn/

 


Mittwoch, 8. Dezember 2021

Heilpädagogisches Reiten

„Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.“ 
Friedrich von Bodensted
 
Welche Wirkung hat Heilpädagogisches Reiten bei Kindern mit einer sogenannten geistigen Behinderung? 
 
Die ersten Reiterfahrungen des Menschen reichen über 2000 Jahre zurück. Galt das Pferd damals vorwiegend als Kriegspferd, Ritterpferd oder Lastenträger, wird es seit den 1960er Jahren zunehmend auch im Bereich der Medizin und Psychotherapie eingesetzt (vgl. Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V., 2005, S. 6). Das sogenannte Therapeutische Reiten wird unterteilt in die Hippotherapie (physiotherapeutische Maßnahmen), den Reitsport für Behinderte (Reitsport als Freizeitbeschäftigung) und das Heilpädagogische Reiten, auf das im Folgenden genauer eingegangen wird. 
 
Abbildung 1 Schematische Darstellung der Einteilung des therapeutischen Reitens
 


Heilpädagogisches Reiten
 
Heilpädagogisches Reiten umfasst heilpädagogische Maßnahmen mit dem Pferd, wodurch Kinder, Jugendliche und Erwachsene ganzheitlich (körperlich, geistig, emotional und sozial) und individuell gefördert werden. Zielgruppe sind Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, z.B. Lernbehinderungen, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen. Es werden psychologische, therapeutische und rehabilitative sowie pädagogische, heilpädagogische und sozio-integrative Einflussnahmen genutzt, um diesen Menschen zu helfen und sie zu fördern.

Abbildung 2 Heilpädagogisches Reiten

Beim Heilpädagogischen Reiten steht der Fokus nicht auf der reitsportlichen Ausbildung, sondern auf der Förderung in allen Bereichen des Umgangs mit dem Pferd. Das beinhaltet zum Beispiel die Pflege, das Misten und das Füttern des Pferdes aber auch Bodenarbeit, Führübungen oder Reiten. Durchgeführt wird das Heilpädagogische Reiten von ausgebildeten Reitpädagogen, die individuelle Übungen auswählen.

Die Wirkung des Heilpädagogischen Reitens sind vielfältig:

  • Der Umgang mit dem Pferd und vor allem das Reiten (das „Sich-tragen-lassen“) lösen bei den Kindern Gefühle wie Freude oder Mut aus und können das Selbstbewusstsein stärken.
  • Durch die Bewegung auf dem Rücken des Pferdes werden Gleichgewichtsgefühl, Körperwahrnehmung, Koordination und Motorik gefördert. Zudem können seelische und körperliche Spannungen gelöst werden.
  • Durch die heilsame Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung wird das Wohlbefinden, das Sozialverhalten und die Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflusst. (vgl. Kiehne, 2019, S.90 ff.)
 
Wirkung von Heilpädagogischem Reiten Fallbeispiel  
 
Im Folgenden werden die konkreten positiven
Auswirkungen des Heilpädagogischen Reitens
anhand eines Fallbeispiel dargestellt. Therapiert wurde einen 17-jähriger Junge, bei welchem ausgeprägtes autistisches Verhalten, ausgeprägt Verhaltensstörung mit Kontaktproblemen, extreme Angstreaktion, zentrale Wahrnehmungsstörung und ein psychischer und geistiger Entwicklungs-rückstand diagnostiziert wurden.
 
Der Junge im Fallbeispiel sprach sehr 
selten von sich aus, hatte sehr sensible Sinne und 
verbachte seine Freizeit gerne in der Natur. In der Schule 
nahm er keinen Kontakt zu anderen Mitschülern auf und wandte sich bei Kontaktversuchen meist ab. Im Unterrichtsgeschehen nahm er kaum teil und war gefühlsmäßig und gedanklich häufig abwesend. Wenn er motiviert war, konnte er selbständig arbeiten und in Zweiwortsätzen sprechen
 
Aufgrund dieser Ausgangslage wurden für das Heilpädagogische Reiten verschiedene Ziele festgelegt. Ein Teilziel umfasste die Anbahnung einer Beziehung zum Pferd, sodass er dadurch aus seiner autistischen Welt auftauchen kann. Die Beziehung zum Pferd kann dabei als Vorstufe zur zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme angesehen werden.
 
Während des Heilpädagogischen Reitens wurde sehr kleinschrittig vorgegangen, um den Jungen nicht zu überfordern. Außerdem blieb der Ablauf der Lektionen weitgehend gleich, da autistische Menschen ein starkes Bedürfnis nach Konstanz ihrer Umwelt besitzen. Innerhalb der Lektionen bestanden Differenzierungsmöglichkeiten. Der Ablauf der Therapieeinheit war wie folgt:
 
1. Gemeinsam zum Pferd gehen
2. Begrüßung der Pferde außerhalb des Geheges
3. Zu den Pferden ins Gehege gehen
4. Futter vorbereiten und Pferde füttern
5. Spazierengehen (Später auch Reiten)
6. Pferde weiden lassen
7. Abschied von den Pferden 
 
Die Reitpädagogin hatte dabei vor allem die Rolle der Vorbildfunktion und des Stabilisators. Wichtig war eine insgesamt entspannte und lockere Atmosphäre, sodass sich der Junge wohlfühlte.
Im Laufe des heilpädagogischen Reitens (einem Beobachtungszeitraum von fünf Monaten) stellte die Reitpädagogin fest, dass der Junge es immer länger schaffte seine Aufmerksamkeit beim Pferd und der Sache zu behalten. Außerdem traute er sich nach einigen Stunden, sich immer weiter einem angebundenen Pferd zu nähern und neben einem Pferd herzugehen. Jedoch hielt er bei den freilaufenden Pferden immer Sicherheitsabstand. Den Körperkontakt mit dem Pferd beim Reiten akzeptierte er und war teilweise bereit das Pferd mit seiner Hand zu streicheln. Zwar fasste er somit kein umfassendes Vertrauen zum Pferd, begann aber eine Beziehung zum Pferd aufzubauen und führte Handlungen nach einigen Wiederholungen selbständig aus.
In der Schule war er nach dem Heilpädagogischen Reiten gelöst, entspannt, offener und aufnahmefähiger. Er redete sogar manchmal über Dinge, die ihn beschäftigten und ließ Körperkontakt, wie streicheln oder in den Armnehmen, von der Lehrkraft zu. Auch zu seinen Mitschüler*innen nahm er Kontakt auf. Im Unterrichtsgeschehen konnte er längere Zeit teilnehmen. Sogar in seiner Freizeit beobachtete er die Pferde manchmal auf der Koppel. Somit macht er eine positive Veränderung.

Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass das Ziel einer Anbahnung und Aufbau einer Beziehung zum Pferd und zeitweise Auflösung der autistischen Abkapslung teilweise erreicht wurde. Der Junge zeigte Motivation im Umgang mit dem Pferd und war offener im Umgang mit Menschen. Damit hat das Heilpädagogische Reiten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Jungen beigetragen. (vgl. Eberle-Gäng, 2015, S. 189 ff.)
 
 

Wirkung von Heilpädagogischem Reiten Studie 

Abbildung 3 tapfer Studie      


Abbildung 4 Evaluationsdesign
Empirisch wurde das heilpädagogische Reiten bisher wenig untersucht. Einzeln durchgeführten Studien bestätigen aber die Ergebnisse des individuellen Erfahrungsberichts. Als Beispiel kann die „Evaluationsstudie ‘TAPfer - Therapeutische Arbeit mit dem Pferd‘“ des Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. Fachverband, die von 2001 bis 2006 durchgeführt wurde, genannt werden. 
 
Zur Untersuchung der Auswirkungen des heilpädagogischen Reitens bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung wurden 30 Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung in zwei Gruppen aufgeteilt. Da die Therapie bei Autismus-Spektrum-Störungen
multimodal erfolgt, erhielten beide Gruppen Entwicklungsförderung in der Familie. Die Untersuchungsgruppe erhielt zusätzlich heilpädagogisches Reiten
(siehe Abbildung 4)  
  
Anhand mehrere Testverfahren wurde das Entwicklungs- und Verhaltensprofil der Kinder vor und nach dem Einsatz des heilpädagogischen Reitens untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder, die heilpädagogisches Reiten erhalten hatten, Entwicklungsrückständen besser aufholen konnten und Wahrnehmung, Motorik, Kontaktaufnahme, Kommunikation und die Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verbessern konnte (siehe Abbildung 5). (vgl. Pickartz, 2006, S. 28ff) 

Abbildung 5 Veränderung der Entwicklungsindizes

 

Fazit
 
Die Diagnose der Autismus-Spektrum-Störung steht in diesem Blogbeitrag exemplarisch für die Arbeit mit Menschen mit geistigen Behinderungen. Die Auswirkungen des Heilpädagogischen Reiten bewähren sich laut Literatur aber auch bei Kindern mit anderen Diagnosen. Bei weitergehendem Interesse empfehlen wir die Bücher aus der Literaturliste und die unter dem Blogbeitrag aufgeführte weiterführende Literatur.
Zusammenfassend kann das Heilpädagogische Reiten eine sinnvolle Maßnahme für die Erziehung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung eingesetzt werden. Im Sinne der Gesundheitsförderung von Kindern mit geistiger Behinderung kann das heilpädagogische Reiten somit einen wichtigen Betrag leisten, da körperliche, geistige, emotionale und soziale Faktoren positiv beeinflusst werden, was sich wiederum in einem allgemein verbesserten Wohlbefinden der Kinder widerspiegelt. 
Das Glück dieser Erde kann folglich tatsächlich auf dem Rücken der Pferde liegen

 

Weiterführende Literatur
 
Im Folgenden haben wir zwei interessante Bücher aufgeführt (welcher online in der PH Bibliothek zur Verfügung stehen), die über das Thema Heilpädagogisches Reiten hinaus gehen. 
  • Zum einen empfehlen wir das Buch Therapeutisches Reiten von der Herausgeberin Marianne Gäng aus dem Jahr 2016. https://elibrary.utb.de/doi/book/10.2378/9783497602469 (Eingesehen am 30.10.2021)
    In diesem Buch geht es
    , wie der Titel bereits verrät, um das Therapeutische Reiten.
    Es beinhaltet spannende Berichte, beispielsweise über den Einsatz des Pferdes in der Arbeit mit traumatisierten Personen oder der Einsatz bei Frauen mit Anorexia Nervosa. Außerdem gibt es Einblicke in die Hippotherapeutischen Arbeit.
  • Auch lohnend ist das Buch Lamas und Alpakas in der pädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen von Cosima Boyle aus dem Jahr 2019. https://elibrary.utb.de/doi/book/10.2378/9783497612321 (Eingesehen am 30.10.2021) In diesem Buch wird auf die pädagogische Förderung durch Lamas und Alpakas eingegangen. Dabei werden verschiedene Projekt und Aktionen vorgestellt, aber auch differenziert auf die Arbeit bei verschiedenen Entwicklungs- und Verhaltensstörungen wie Autismus-Spektrum-Störungen oder Lese-Rechtschreib-Schwäche eingegangen.

Svea Bundschuh und Johanna Lutze

Literaturverzeichnis  

Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (2005). Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten - Grundlagen . München: Hans Kock Buch-udn
Offsetdruck GmbH.
 
 
Eberle-Gäng, S. (2015). Aufbau einer Beziehung zum Pferd: eine Maßnahme für die Entwicklung und Erziehung von Menschen mit geistiger Behinderung. In M. Gäng (Hrsg.), Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren (Bd. 7. Auflage). München: Ernst Reinhardt GmbH & Co KG.  
Ihm, V. (2010). Heilpädagogisches Reiten und Entwicklungsförderung. Hademstorf:Verlag FREIMUT & SELBST.  
Kamp-Becker, I. (27. Januar 2018). Update zu Diagnose und Differentialdiagnosen der Autismus-Spektrum-Störung. Abgerufen am 31. Oktober 2021 von
https://www.stiftung-liebenau.de/fileadmin/benutzerdaten/bildung/pdf/04_Mediathek/Autismus/bildung-autismus-kamp-becker-2018.pdf
 
Kaune, W. (2006). Das Heilpädagogische Voltigieren und Reiten für Menschen mit geistiger Behinderung. Warendorf: FNverlag.  
Kiehne, H. (2019). Schatzkiste Reiten, Führen, Voltigieren. Lustige Spiele und Übungen mit Kindern (Bd. 2. Auflage). München: Ernst Reinhardt GmbH & Co KG.  
Pickartz, A. (2006). Tapfer Evalutionsstudie zur Wirksamkeit von heilpädagogischem Reiten bei Kindern mit autistischen Störungen. Kürsten-Biestfeld: Institut quer.

 
Abbildungverzeichnis
 

Abbildung 1 Schematische Darstellung der Einteilung des therapeutischen Reitens (vgl. Kaune, 2006, S.13) 
Abbildung 2 Heilpädagogisches Reiten (https://www.svz.de/ratgeber/eltern-kind/ich-sitze-auf-einer-wolke-id9722121.html, 29.10.2021) 
Abbildung 3 tapfer Studie (Pickartz, 2006, S.1) 
Abbildung 4 Evaluationsdesign (Pickartz, 2006, S.23) 
Abbildung 5 Veränderung der Entwicklungsindizes (Pickartz, 2006, S.36)