Bei Rot stehen bei Grün gehen….wie?!
Der Nutri-Score, Ampel für eine bessere
Ernährung
Von Isabel Schanta und Leonie Knobel
Beim Einkaufen von Lebensmitteln lässt sich beobachten, dass die Produkte neben dem Herstelleremblem oft mit weiteren Symbolen ausgezeichnet sind, die uns informieren und unser Kaufverhalten lenken sollen. Zum Beispiel Biosiegel, welche Auskunft über einen normgerechten Anbau geben, oder Siegel, die Regionalität des Produktes ausweisen. Relativ neu im Wald der Symbole sind nun Siegel, die über eine farblich hinterlegte Skala von A-E das jeweilige Produkt kategorisieren. Hier sei das Tierwohl-Label und der Nutri-Score genannt. Wir möchten in diesem Beitrag den Nutri-Score erklären und kritisch bewerten, welches Ziel die Entwickler dieses Labels verfolgen und ob dieses Ziel erreichbar ist? Wieso gibt es den Nutri-Score und was hat das mit Gesundheitsförderung zu tun?
Am 09.Oktober 2020 gab der Deutsche
Bundesrat seine Zustimmung zur Einführung des Nutri-Scores (vgl. Wilke, o.J.).Seitdem
können Unternehmen der Lebensmittelbranche freiwillig ihre Produkte in
Deutschland mit dem Nutri-Score kennzeichnen, wichtig dabei ist, dass das Label
unübersehbar auf die Vorderseite der Produktverpackung platziert wird.
Der Unterschied bei diesem Label zu
anderen ist die Einordnung des Produkts in Bewertungsstufen. Stufe A-grün steht
für eine positive Bewertung, Stufe E am Ende der Skala für eine negative
Bewertung der Nährwertzusammensetzung (vgl. ebd). Zu beachten ist dabei, dass
eine Vergleichbarkeit nur bei Produkten der gleichen Produktgruppe gegeben ist.
Das heißt, der Nutri-Score bewertet Lebensmittel nicht generell positiv und
negativ, sondern nur ähnliche Lebensmittel. So sind beispielsweise Joghurts
miteinander vergleichbar, aber nicht Joghurts und Tortellini. Es gibt also im
Produktangebot der Joghurts Produkte mit einem grünen A und Produkte mit einem
gelben C. Das bedeutet, der Joghurt mit dem A wurde bei der Berechnung des
Nutri-Scores als günstiger für eine ausgewogene Ernährung eingestuft. Ein
grünes A bedeutet nicht, dass ein Joghurt besonders gesund ist, sondern nur
besser für eine ausgewogene Ernährung als ein vergleichbares Konkurrenzprodukt.
Über den genauen Nährwert gibt die Skala keine Auskunft. Wer hier mehr
Informationen sucht, muss sich weiterhin Nährwerttabelle der Rückseite des
Produkts anschauen.
Wie wird der Nutri-Score berechnet?
Die Berechnung des Nutri-Scores erfolgt
zur besseren Vergleichbarkeit immer auf einer 100g- beziehungsweise
100ml-Basis. Dabei werden die Mengen der verschiedenen Nähr- und Inhaltsstoffe
ermittelt. (vgl. Havlat, 2022)
Es gibt drei Schritte bei der Berechnung: (entnommen aus: Havlat (2022),
Ergänzungen durch andere Quellen wurden entsprechend gekennzeichnet)
1.Schritt
Nährstoffe, die eher ungünstig für die Ernährung sind, werden ermittelt:
gesättigte Fettsäuren, Zucker, Natrium (Salz) und der Energiegehalt. Diese
bekommen jeweils “‘Negativ’- Punkte[...]” (Merz et al., 2019, S.3), die von
0-10 reichen. Für die Bestimmung der Punkte gibt es unter anderem
Referenzwerttabellen. Je mehr von einem ungünstigen Nährstoff enthalten ist,
desto höher fällt die Zahl aus. Alle “Negativ”- Punkte werden als
Zwischenergebnis addiert (vgl. Wälz, o.J.).
2.Schritt
Zu den günstigeren Nährstoffen zählen Ballaststoffe, Proteine, Obst,
Gemüse, Nüsse und Raps-/Walnuss-/Olivenöl. Diese werden ebenfalls mit einer
Referenzwerttabelle bepunktet, dieses mal aber als “‘Positiv’-Punkte[...]”
(Merz et al., 2019, S.6) auf einer Skala von 0-5. Auch hier werden die
einzelnen Werte als Zwischenergebnis addiert (vgl. Wälz, o.J.).
3.Schritt
Die Zwischenergebnisse werden wie folgt miteinander verrechnet:
Ungünstigere Nährstoffe - günstigere Nährstoffe = Gesamtpunktzahl (vgl.
Wälz, o.J.)
Die Gesamtpunktzahl bestimmt dann, welche
Farbe und welcher Buchstabe einem Lebensmittel zugeordnet wird (siehe Abbildung
des Lebensmittelverbands Deutschland). Für Getränke und Wasser sind die
Abstufungen für Obst- und Gemüseanteile, sowie den Energie- und Zuckergehalt
geringer, wodurch die Punktspannen der Buchstaben auch geringer ausfallen.
Wasser ist hierbei das einzige Getränk, das den Buchstaben “A” bekommen kann.
(vgl. Havlat, 2022)
Spezialfälle bilden zum Beispiel der Käse
und die Fette. Bei der Berechnung des Nutri-Scores von Käse wird der
Proteingehalt besonders berücksichtigt, da er mit dem Calciumgehalt
zusammenhängt. Somit lassen sich verschiedene Käsesorten besser differenzieren.
Bei Fetten wird zur besseren Vergleichbarkeit in ungesättigte und gesättigte
Fette aufgeteilt. (vgl. Havlat, 2022)
Wieso ist der
Nutri-Score eingeführt worden und was wird mit ihm beabsichtigt?
Der Nuti-Score wurde 2017 erstmals in
Frankreich eingeführt (vgl. Schrader-Wurbs, o.J., Nutri-Score) mit dem Ziel den
VerbraucherInnen eine gesündere Ernährung zu ermöglichen (vgl.
Schrader-Wurbs,o.J., Nutri-Score einfach erklärt). Laut der Informations-
Broschüre des BMEL “bietet (der Nutri-Score) Verbraucherinnen und
Verbrauchern Orientierung bei der Auswahl ernährungsphysiologisch günstigerer
Lebensmittel” (ebd). Das Ziel dahinter ist es, die VerbraucherInnen dazu zu
bewegen, sich so zu ernähren, dass Übergewicht und damit in Zusammenhang
stehende Folgeerkrankungen, wie Bluthochdruck und Diabetes vorgebeugt
werden.
Was sagt eine Einführung
des Nutri-Scores über die Gesellschaft aus?
Bis zur Einführung des Nutri-Scores waren
die Lebensmittel ausschließlich mit Nährwerttabellen ausgezeichnet. Die
VerbraucherInnen können anhand der Nährwerttabelle einschätzen, ob es sich um
ein kalorienreiches oder -armes Lebensmittel handelt. Das setzt jedoch
spezifische Kompetenzen bei den KäuferInnen voraus. Zum einen muss man Lesen
können, die Inhaltsstoffe kennen und wissen, wie viel der eigene Körper für den
täglichen Energieumsatz von welchen Stoffen benötigt. Erst dann ist eine Person
in der Lage abzuwägen, ob das Produkt zu einer ausgewogenen Ernährung
beiträgt.
Die Häufigkeit der Diabetes und
Blutdruckerkrankungen in Deutschland steigt in den vergangenen Jahrzehnten und
lassen Rückschlüsse zu, dass die BürgerInnen sich einseitig ernähren. Während
im Jahr 2015 die Zahl der dokumentierten Typ-2-Diabetes bei etwa 7 Mio.
Menschen lag, stieg die Anzahl im Jahr 2021 auf ca. 8,5 Millionen Menschen
(vgl. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) & diabetesDE - Deutsche
Diabetes-Hilfe, 2021, S.9).
Sind also die VerbraucherInnen nicht
ausreichend kompetent, sich abwechslungsreich zu ernähren? Der eingeführte
Nutri-Score lässt annehmen, dass die Belastung des Gesundheitssystem so groß
ist, dass politischer Handlungsbedarf besteht, in Form von Informieren.
Kritik am Nutri-Score
Der Nutri-Score kann eine gute
Orientierung sein, die ernährungsphysiologisch günstigeren Alternativen einer
Produktkategorie zu identifizieren. Das hat den Vorteil, dass nicht
zwangsläufig auf bestimmte Produkte verzichtet werden muss. Dennoch kann das
Bewertungssystem in die Irre führen, denn wer - im Extremfall - zum Beispiel
ein Früchtemüsli der Kategorie A zu allen drei Mahlzeiten isst, hat dennoch
keine ausgewogene Ernährung. Es kommt also auf das Verhältnis der verschiedenen
Lebensmittel an. Zudem sollte bedacht werden, dass der Nutri-Score nicht auf unverpackten
Lebensmitteln vorkommt und somit gesunde frische Lebensmittel gar nicht mit
einem “A” gekennzeichnet werden können. (vgl. Schrader-Wurbs,o.J., Nutri-Score
einfach erklärt.)
Unsere Schlussbetrachtung zum Nutri-Score:
Es ist nicht eindeutig, ob er zweckdienlich ist. Das Problem ist, dass der
Nutri-Score fehlinterpretiert werden kann und nicht ohne weitere Erklärung zu
einer besseren Ernährung führt. Das bedeutet, für diejenigen, die sich über ihn
informiert haben, hält er schnelle Informationen bereit. Ohne Hintergrundwissen
kann er fehlleitend sein. Das würde bedeuten, dass es nicht genügt, Produkte
mit diesem Label zu versehen, zusätzlich muss Gesundheitskompetenz erarbeitet
werden und über Ernährung aufgeklärt werden.
Wir hoffen, ihr konntet durch unseren Beitrag etwas Neues lernen und haben
noch ein paar Fragen zum Nach- und Weiterdenken:
Achtet ihr beim Einkaufen auf den Nutri-Score?
Wie bewertet ihr die Einführung des Nutri-Scores zur Diabetes Prävention?
Welche Begleitprogramme bedarf es nach eurer Einschätzung, dass der
Nutri-Score zweckdienlich ist?
Leonie Knobel und Isabel Schanta
Literaturverzeichnis
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG),
& diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe (Hrsg.). (14. 11 2021). Deutscher
Gesundheitsbericht, Diabetes 2022, Die Bestandsaufnahme. (G. Nuber, & N.
Finkenauer-Ganz, Redakteure) Mainz: Verlag Kirchheim + Co GmbH. Abgerufen am
30. 12 2022 von https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2022_final.pdf
Havlat, O. (22. 09 2022). Nutri-Score:
Das bedeutet die Kennzeichnung. Abgerufen am 30. 12 2022 von
Verbraucherzentrale:
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/nutriscore-das-bedeutet-die-kennzeichnung-76209
Merz, D., Watzl, P., & Roser, D. (11.
11 2019). Bericht zum Berechnungs-Algorithmus des Nutri-Score. Abgerufen am 30.
12 2022 von
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittel-Kennzeichnung/MRI-Bericht-Berechnung-Algo-20191111.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Minhoff, C. (o.J.). Nutri-Score.
(Lebensmittelverband Deutschland e.V., Herausgeber) Abgerufen am 30. 12 2022
von Lebensmittelverband Deutschland: https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/kennzeichnung/naehrwert/nutri-score
Schrader-Wurbs, P. (o.J.). Nutri-Score.
Abgerufen am 28. 12 2022 von BMEL (Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft):
https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/nutri-score_node.html
Schrader-Wurbs, P. (o.J.). Nutri-Score
einfach erklärt: Informationen für den Einkauf. Abgerufen am 28. 12 2022
von BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft): https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/nutri-score-erklaert-verbraucherinfo.html
Hallo Isabel und Leonie,
AntwortenLöschenvielen Dank für euren informativen Blogbeitrag.
Für mich war euer Beitrag sehr aufschlussreich, da mir überhaupt nicht klar war, dass die Bewertung ausschließlich durch den Vergleich mit Produkten der gleichen Kategorie erfolgt. Ich bin bisher tatsächlich davon ausgegangen, dass der Nutri-Score eine generelle Einteilung ist.
Auch eure Ausführungen zur Berechnung des Nutri-Scores waren sehr interessant.
Ich persönlich schaue beim Einkaufen auf den Nutri-Score, wenn dieser vorhanden ist. Ich denke jedoch nicht, dass meine Kaufentscheidung davon maßgeblich beeinflusst wird. Auf Getränken ist mir der Nutri-Score bisher noch gar nicht aufgefallen.
Es wäre meiner Meinung nach auf jeden Fall sinnvoll und auch notwendig, genauer über das Zustandekommen des Nutri-Scores aufzuklären. Dies wäre zum Beispiel auch im Biounterricht im Rahmen der Ernährungsbildung möglich. Dort kann dann besprochen werden, was der Nutri-Score überhaupt aussagt und wie er sich berechnet. Dabei könnten sie SuS eventuell auch selbst diese Berechnungen für einzelne Lebensmittel durchführen.
Würdet ihr dieses Vorgehen ebenfalls als sinnvoll erachten?
Viele Grüße
Ronja
Hallo Ronja,
Löschenvielen Dank für Deinen Kommentar!
Ich würde es auf jeden Fall sinnvoll finden, Kennzeichnungen, die man auf Lebensmitteln finden kann, in den Biounterricht einzubauen. Da der Nutri-Score einem Ampel-System folgt und so schnell erfasst werden kann, vermute ich, dass Schüler*innen diesen beim Kauf von Lebensmitteln sicherlich entdecken werden. Die Nährwerttabellen werden vermutlich weniger beachtet. Genauso wie du habe auch ich am Anfang nicht gewusst, dass der Nutri-Score keine generelle Einteiltung ist, sondern ein Vergleich zwischen Produkten gleicher Art. Diesen Aspekt sollte man auch Schüler*innen näherbringen.
LG Isabel
AntwortenLöschenHallo Leonie und Isabel,
vielen Dank für euren interessanten Blogbeitrag. Nach dem Lesen denke ich nicht, dass der Nutri-Score zu einer besseren Ernährung der Bevölkerung führt, da ich vorher auch nicht wusste, dass nur Produkte aus ähnlichen Kategorien verglichen werden. Somit ist das Label nur hilfreich, wenn man sich schon umfassend mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt hat. Außerdem ist es auch auf wenigen Produkten zu finden, weshalb die Idee nur punktuell zu einer gesünderen Ernährung beitragen könnte.
Ich persönlich achte nicht auf den Nutri-Score, da ich bei einigen Lebensmitteln einen groben Überblick über die Zusammensetzung habe und eher auf die Regionalität oder Nachhaltigkeit Wert lege.
Möglicherweise wären Werbung, aufklärende Aufsteller in Supermärkten über den Nutri-Score oder Erläuterungen auf den Produkten selbst sinnvoll, da so mehr Menschen erfahren würden, was er bedeutet.
Viele Grüße
Natalia