Suchtprävention an Schulen
Dieser Blogbeitrag soll
einen kleinen Überblick über das Thema Suchtprävention im Kontext der
Gesundheitsförderung an Schulen geben.
Könnt
ihr euch noch daran erinnern, ob und in welcher Form ihr in eurer Schulzeit
über das Thema Sucht aufgeklärt worden seid?
Formen von Prävention
Zu Beginn
müssen erst ein paar Begrifflichkeiten geklärt werden. Man unterscheidet
zwischen der Primär-, der Sekundär- und der Tertiärprävention. Die
Tertiärprävention zielt auf die Rehabilitation bereits Erkrankter / Abhängiger
ab und spielt im schulischen Kontext kaum eine Rolle. Wenn wir also von
Suchtprävention sprechen, ist die primäre oder sekundäre gemeint. Die
Primärpräventation hat das Ziel, Neuerkrankungen zu verhindern und die
Gesundheit zu erhalten. Die Maßnahmen richten sich an gesunde Menschen und
beziehen sich auf die Reduktion und Früherkennung von Risikofaktoren (vgl.
Röhrle, 2002, S. 239). Die Gesundheitsförderung kann also als eine Form der
Prävention gesehen werden (vgl. ebd. S. 238). Die Sekundärpräventation kommt
dann zum Einsatz, wenn bereits Risikofaktoren vorliegen. Beide Formen der
Prävention sind an Schulen von großer Bedeutung. Später werden wir sehen, warum
bei Jugendlichen fast immer Risikofaktoren vorhanden sind.
Geschichtliche Entwicklung des (schulischen) Präventionsgedankens
Bemühungen
und Ansätze der Prävention in schulischen Kontexten sind noch relativ jung und
wurden in Deutschland erst seit den 50 er und 60er Jahren konkreter (vgl.
Mittag & Schaal, 2018, S. 479 ff.). Mit Beginn der „Drogenprävention“
wurden unter „Drogen“ fast ausschließlich illegale Drogen verstanden. Die
Prävention von anderen Problemen im Zusammenhang mit Alkohol, Tabak oder
nicht-substanzgebundene Süchten (z.B. Magersucht oder Spielsucht) wurde kaum
thematisiert. Nach und nach kam es zu einer inhaltlichen Umorientierung und aus
der „Drogenprävention“ wurde eine „umfassende Suchtprävention“ (vgl. Röhrle,
2002. S. 262).
|
Abb.2
|
Frage an die Raucher unter euch:
Schrecken euch die Bilder auf den Zigarettenschachteln tatsächlich (noch) ab?
Wenn ja, hat sich etwas an eurem Konsum verändert?
Frage an alle:
Denkt ihr, dass solche
Schockbilder Kinder und Jugendliche davon abhalten, mit dem Rauchen
anzufangen?
Erfüllen die Bilder ihren
Zweck der Aufklärung und Abschreckung?
Zu Beginn ging es vor
allem auf die Aufklärung durch Informations- und Wissensvermittlung, die dem
Konsum von Alkohol und anderer Drogen bei Jugendlichen entgegenwirken sollten
(vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 480).
Häufig war diese
Wissensvermittlung mit Angstappellen kombiniert, die durch drastische
Darstellungen (z.B. offener Kehlkopfkrebs, Raucherbeine) die negativen Folgen
aufzeigen sollten und der Abschreckung dienen sollten. Die Wirkung war leider
nur gering. Die Jugendlichen hatten jetzt zwar das Wissen über gesundheitliche
Risiken und Folgeschäden, aber ihre Einstellung und ihr Verhalten änderte sich
nicht (vgl. Jerusalem et al., 2003, S.253).
Diese
Furchtappelle waren bzw. sind bei Kindern und Jugendlichen nur wenig erfolgreich.
Unter anderem, weil die Gesundheit, aufgrund des jungen Lebensalters, als
selbstverständliches Gut angesehen wird und potentielle Gesundheitsschäden
zeitlich noch weit entfernt liegen (vgl. Steinbach, 2006, S. 24).
Ein
Vorsorgeverhalten gilt als langweilig und „uncool“ und man möchte sich in
seinem Lebensstil und seinen Erfahrungen nicht einschränken lassen (vgl. Mittag
& Schaal, S. 253).
Aus diesen
Gründen wurden im Laufe der Jahre neue, ganzheitliche psychosoziale
Präventionsansätze entwickelt. Man versucht nun den Zusammenhang von
Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbewältigung und der psychosozialen
Funktionalität des Verhaltens mit einzubeziehen (vgl. Jerusalem et al., 2003,
S. 253).
Mit der Zeit
wurde Suchtprävention immer mehr als Aufgabe von öffentlichen
Entscheidungsträger:innen definiert. Und heute werden Gesundheitsförderung und
Prävention als „grundlegende Zielbereiche und übergreifende Leitlinien in den
Bildungsplänen der Bundesländer thematisiert“ (Mittag & Schaal, 2018 S.
479).
Das Handlungsfeld Schule für Prävention und
Gesundheitsförderung
Die Schule
als Handlungsort macht Sinn, da Kinder und Jugendliche dort viele Jahre ihres
Lebens verbringen und in ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung
beeinflusst werden (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 479). Des Weiteren
werden Kinder und Jugendliche in der Schule vor leistungsbezogene und soziale
Anforderungen gestellt, welche es zu bewältigen gilt. Ob diese erfolgreich oder
nicht bewältigt werden, hängt von ihren persönlichen und sozialen Ressourcen ab
(vgl. ebd. S. 479). Mittlerweile versuchen Präventionsansätze „die
psychosoziale Funktionalität von Problem- und Risikoverhaltensweisen sowie den
sozialen Lebenskontext von Kindern und Jugendlichen […] zu berücksichtigen“
(Mittag & Schaal, 2018, S. 481). Hier wurde also ein salutogenetischer
Ansatz entwickelt, welcher neben der Persönlichkeitsentwicklung auch das
schulische Umfeld miteinbezieht (vgl. ebd., S. 481).
Die grundliegenden
Ziele der Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen, sind das frühzeitige
Entgegenwirken gegen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung und
gesundheitlicher Schädigungen (vgl. Röhrle, 2002, S. 239). Durch
primärpräventive Maßnahmen sollen die Kinder und Jugendlichen informiert und
aufgeklärt werden, zusätzlich sollen ihre sozialen Kompetenzen und ihre
Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden (vgl. Steinbach, 2006, S. 24).
Im Folgenden
stelle ich Euch kurz zwei Ansätze zur schulischen Gesundheitsförderung vor,
welche sich im Schulalltag bewährt haben.
Das Lebenskompetenztraining (Life Skills Training):
Dieser
Ansatz zielt auf die Förderung allgemeiner Kompetenzen ab und ist nicht
substanzspezifisch ausgerichtet. Es werden Bewältigungsstrategien erarbeitet
und eingeübt, personale Kompetenzen, Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühlt
werden gestärkt. Zusätzlich werden Information und Fertigkeiten vermittelt,
z.B. zu dem Thema Drogen (vgl. Mittag & Schaal, 2018, S. 482). Diese Primär-
und Sekundärprävention hat sich in Schulen bewährt und durchgesetzt.
Das
Standfestigkeitstraining:
Dieses Programm
konzentriert sich vor allem auf den sozialen Einfluss. Die Annahme ist, dass
sich Kinder und Jugendliche leicht von ihrem sozialen Umfeld (z.B. Peers,
Klassenkameraden) beeinflussen lassen. Nicht selten entsteht ein Gruppedruck,
wer nicht trinkt und raucht ist „uncool“. Mit der „sozialen Immunisierung“
werden konkrete Handlungsempfehlungen erlernt, die es ermöglichen sollen, dem
Gruppendruck und den Beeinflussungsversuchen standzuhalten (vgl. Mittag &
Schaal, 2018, S. 482). Die Widerstandsfähigkeit wird verbessert und die Kinder
und Jugendlichen werden in ihrer Persönlichkeit unterstütz. Dieser Ansatz ist
eher primärpräventiv, da er bei gering gefährdeten Kindern und Jugendlichen
Wirkung zeigt. Stark gefährdete oder bereits konsumierende Kinder und
Jugendliche erweisen sich eher als verhaltensresistent (vgl. ebd. S. 482).
Abb. 1
Wart Ihr in eurer Schulzeit Gruppendruck ausgesetzt?
Habt ihr das Gefühl, dass z.B. eure erste Erfahrung mit
Alkohol, stark von dem sozialen Umfeld beeinflusst wurde?
Drogenkonsum als entwicklungstypisches Phänomen
|
Der
Substanzgebrauch bei Kindern und Jugendlichen beruht auf unterschiedlichen
motivationalen Prozessen, die Ausdruck lebensphasentypischen Verhaltens sind
(vgl. Steinbach 2006, S. 8). Vor allem der Konsum von legalen Drogen, wie
Alkohol und Tabak sind aus entwicklungspsychologischer Sicht „normal“, da sich
die Kinder und Jugendlichen gedanklich und handelnd mit dem Substanzkonsum
auseinandersetzen, Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren. Steinbach ist der
Meinung, dass das Erlernen des Umgangs mit Drogen, einer Entwicklungsaufgabe
entspricht (vgl. ebd., S. 10). Hier ist aber die Unterscheidung zwischen einem experimentellen
Umgang mit Drogen (Probierverhalten) und einem regelmäßigen Konsum
wichtig. Letzteres ist bei Kindern vor der Pubertät als Missbrauch anzusehen.
Da die Kinder in diesem Alter weder die physiologischen, noch die persönlichen
Voraussetzungen haben, verantwortungsvoll mit den Substanzen umzugehen. Hier
kann es zu potentiellen Gefährdungen der Entwicklung kommen (vgl. ebd. S. 10).
Mögliche
Gründe legale / illegale Drogen auszuprobieren:
- Mittel
zur Lebensbewältigung
- Bewältigung
von Konflikt- und Belastungssituationen
- Neugierde
und Grenzen austesten
- Das
soziale Umfeld / sozioökonomischer Status (Familie, Peers, Schule, …)
- Zugang
zu gleichaltrigen Gruppen
- Zugehörigkeitsgefühl
- Risikoreiches
Verhalten (typisch für das Jugendalter)
- Stressabbau
und -bewältigung
- Selbstwertsteigerung,
Selbstbewusstsein
- Vorwegnahme der
Erwachsenenrolle
-
Fallen euch
weitere Gründe / (Risiko-) Faktoren ein?
|
Ihr seht, dass es sehr viele motivationale Gründe gibt,
Drogen auszuprobieren und zu konsumieren. Die meisten stehen im Zusammenhang,
mit der oben genannten Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbewältigung und der
psychosozialen Entwicklung. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, die
Suchtprävention auszuweiten und die Kinder und Jugendlichen in ihrer gesamten
Persönlichkeitsentwicklung wahrzunehmen.
Anlaufstellen und Programme zur Suchtprävention
Wenn ihr
selber in der Praxis das Thema Gesundheitsförderung und (Sucht-)Prävention
behandelt, gibt es natürlich einige Organisationen und Anlaufstellen, an die
Ihr euch wenden könnt.
Im Raum
Stuttgart bin ich bei meiner Recherche u.a. auf das Angebot von Release U21
gestoßen. Sie bieten Informationen, Beratung und Präventionsprogramme an und
gehen an Schulen, um aufzuklären.
https://www.release-stuttgart.de/beratungsangebot/praevention-information/
Weiteres
Material bekommt Ihr unter https://www.sag-nein-zu-drogen.de. Hier kann man umsonst Plakate,
Flyer und Broschüren für den Unterricht anfordern.
Ich bin mir sicher,
dass das einige noch aus ihrer Schulzeit kennen.
Abb. 3
Selbstverständlich
kann man sich auch an die Polizei wenden.
Am besten:
Einfach für den eigenen Stadtteil googeln, man findet genug 😊
Ich hoffe, Ihr
konntet ein paar neue Informationen gewinnen. Ich würde mich freuen, wenn ihr
die Fragen beantworten.
Einen
interessanten Blogbeitrag von Jana
Vokoun und Hanna
Wittlinger-Mackh zum Thema Cannabis, findet ihr hier: https://gesundheitsfoerderungphl.blogspot.com/2022/02/cannabis-eine-gefahrliche-einstiegsdroge.html
Literatur:
-
Jerusalem,
M., Klein-Heßling, J. & Mittag, W. (2003). Gesundheitsförderung und
Prävention im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für
Gesundheitswissenschaften, 11, 247-262
-
Mittag,
W. & Schaal, S. (2018). Schule als Handlungsfeld psychologischer
Gesundheitsförderung. In C.-W. Kohlmann, C. Salewski & M.A.
Wirtz (Hrsg.), Psychologie in der Gesundheitsförderung (S.
479-491). Bern: Hogrefe.
-
Röhrle,
Bernd (Hrsg.) (2002): Prävention und Gesundheitsförderung Bd. 2. Tübingen:
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie
-
Steinbach,
Sylvia (2006): Sucht und Schule. Perspektiven der Suchtprävention bei
Jugendlichen mit dem Lions Quest-Programm „Erwachsen werden“. Berlin: Logos
Verlag
Abbildungen:
-
Abb.
1: https://apps-cloud.n-tv.de/img/20492798-1529652179000/16-9/750/imago53461950h.jpg
-
Abb. 2: https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/1a17d02f-0001-0004-0000-000001048892_w1200_r1_fpx70_fpy49.98.jpg
-
Abb.
3.: https://www.hamburg.de/image/4659238/16x9/750/422/23526c3dca16882a90243859987153b7/LJ/so-drogenbroschuere.jpg