Ritalin
– das Kokain für Kinder?
Wie
sinnvoll ist die Behandlung von ADHS mit Ritalin?
Bei einer Diagnose von ADHS
ist die häufigste Behandlungsmethode die Vergabe von Ritalin, um dadurch die
Konzentration der Kinder zu steigern. Doch was hat Ritalin für Auswirkungen auf
die Kinder und hilft es wirklich bei der Behandlung von ADHS?
Was ist ADHS?
ADHS ist eine häufig
diagnostizierte kinder- und jugendpsychiatrischen Störung. Sie setzt sich aus
drei Leitsymptomen zusammen.
·
Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung,
Ablenkbarkeit)
·
Überaktivität (Hyperaktivität, motorische
Unruhe)
·
Impulsivität
Bei der Diagnose müssen
mindestens zwei der drei Bereiche erfüllt sein. Außerdem treten die Symptome
vor dem sechsten Lebensjahr auf (vgl. Prof.
Dr. med. Michael Günter, 2019, S. 6).
Wirkung von Ritalin
Ritalin wird als Medikament
gegen ADHS. Es enthält den Wirkstoff Methylphenidat, welches die Wirkung der Botenstoffe
Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt verstärkt. Methylphenidat
blockiert die Ionen-Pumpen an der präsynaptischen Membran, wodurch die
Botenstoffe länger im synaptischen Spalt für Erregung der Dendriten sorgt und
damit die Wirkung erhöht wird (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Wirkung von Methylphenidat im synaptischen Spalt |
Dadurch wird die vermutete Störung der Transmitter bei ADHS-Patient*innen ausgeglichen und den Symptomen entgegenwirken. Die Wirkung von Ritalin dauert etwa vier Stunden an (vgl. NetDoktor Redaktion, 2018).
Methylphenidat unterscheidet sich in seiner Wirkungsweise und pharmakologisch kaum von Kokain (vgl. Hans-Reinhard Schmidt, 2019, S. 251). Durch die orale Einnahme wirkt es zwar langsamer, sodass Patient*innen wenn überhaupt nur langsam von der Wirkung merken. Sie erleben nicht den Kick, der beim Schnupfen von Kokain erzeugt wird. Nimmt man Ritalin genauso zu sich wie Kokain, wirkt es vergleichbar. Zwar ist Ritalin niedriger dosiert und wird über den Verdauungstrakt aufgenommen, es hat jedoch trotzdem ein hohes Missbrauchs- und Suchtpotenzial (vgl. ebd. S.252).
Neben dem Suchtpotenzial begleiten
Methylphenidat, wie jedes Medikament, eine Reihe an Nebenwirkungen. Die
häufigsten sind hier aufgelistet.
· Schlaflosigkeit
· Nervosität
·
Appetitlosigkeit
·
Bauch- und Kopfschmerzen, Schwindel
·
Gewichtsabnahme
·
Wachstumsverzögerungen (vgl. Julia Elena Popp, 2015, S. 5).
Die Gabe von Stimulanzien
weist bei 65-75% der Behandelten eine positive Wirkung auf (vgl. Mag. rer. nat. Susanne Hellwig-Brida, 2009, S. 4). Es dient jedoch nur
der Linderung der Symptome und nicht der Behandlung der eigentlichen Ursache
für Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität der Betroffenen. Dadurch
leben Patient*innen in einer Abhängigkeit von diesem Psychopharmakon. Denn
sobald sie es nicht mehr nehmen, treten die Symptome wieder auf.
Doch wie sollte man ADHS richtig
behandeln?
Methylphenidat kann zwar
weiterhin zur Verringerung der Symptome eingesetzt werden. Es ist jedoch auf
keinen Fall die alleinige und vorrangige Behandlungsmethode für ADHS. Außerdem
sollte es nicht zu schnell verschrieben werden und nur unter Beobachtung der
Folgen und Nebenwirkungen eingesetzt werden (vgl.
Katharina Bochsler, 2015)
Da Methylphenidat nur die
Symptome bekämpft, kann ohnehin nicht von einer langfristigen
Therapiemöglichkeit gesprochen werden. Um die Störung nachhaltig zu behandeln,
muss vor allem bei den Ursachen angesetzt werden. Daher ist der erste
therapierende Ansatz eine Verbesserung der sozialen Umstände des Kindes. Außerdem
hilfreich ist eine psychotherapeutische Behandlung (vgl. ebd.).
Literaturverzeichnis
Hans-Reinhard Schmidt (2019) Ich lerne wie ein Zombie -
Plädoyer für das Abschaffen von ADHS. 2nd edn. Wiesbaden: Springer
Fachmedien Wiesbaden GmbH. Available at: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-658-14130-1.pdf
(Accessed: 26 December 2021).
Julia Elena Popp (2015) Langzeiteffekte
von Methylphenidat auf das kardiovaskuläre System bei Kindern mit
Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung. Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm. Available at:
https://oparu.uni-ulm.de/xmlui/bitstream/handle/123456789/4365/Dissertation.pdf?sequence=3&isAllowed=y
(Accessed: 26 December 2021).
Katharina Bochsler (2015) Ritalin
& Co. in der Kritik der Forscher, SRF. Available at:
https://www.srf.ch/wissen/gesundheit/ritalin-co-in-der-kritik-der-forscher
(Accessed: 26 December 2021).
Mag.rer.nat. Susanne
Hellwig-Brida (2009) Einfluss von Methylphenidat auf die kognitive
Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsfunktionen bei Kindern mit ADHS.
Universitätsklinikum Ulm Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie. Available at:
https://oparu.uni-ulm.de/xmlui/bitstream/handle/123456789/2046/vts_7202_10144.pdf?sequence=1&isAllowed=y
(Accessed: 26 December 2021).
NetDoktor Redaktion (2018) Ritalin®,
NetDoktor. Available at: https://www.netdoktor.de/medikamente/ritalin/
(Accessed: 26 December 2021).
Prof. Dr. med. Michael Günter
(2019) ‘Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung (ADHS)’. Stuttgart.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/b86b0855-0001-0004-0000-000000027541_w760_r0.5654761904761905_fpx50_fpy56.55.jpg (Accessed:
26.December 2021)
Hallo,
AntwortenLöschenRitalin mit Kokain gleichzustellen, ist provozierend und hat mich daher sehr aufmerksam gemacht. Dies ist ein sehr schwieriges Thema, mit dem man sich auseinandersetzen sollte.
Ich stehe einer Vergabe von Ritalin sehr kritisch gegenüber, da, wie in dem Beitrag beschrieben wurde, nur die Symptome gelindert werden, aber nicht die Ursache bearbeitet wird. Gerade im Hinblick auf die Nebenwirkungen, die hier aufgezählt werden, ist es sehr wichtig zu prüfen, ob eine Gabe von Ritalin wirklich notwendig ist. Hierbei muss besonders die hohe Anzahl an Fehldiagnosen beachtet werden. All die Menschen, die fälschlicherweise mit ADHS diagnostiziert werden und denen ggf. auch Ritalin verabreicht wird, werden falsch mit einem Medikament behandelt, dessen Wirkung und Nebenwirkung nicht auf die leichte Schulter genommen werde sollte. Es kann auch langfristige Folgen haben, wie eine Beeinträchtigung in der Lernfähigkeit und der Flexibilität des Verhaltens.
Hier zeigt sich mal wieder, wie wichtig es ist genau zu diagnostizieren und zu untersuchen woher die Symptome kommen. Dadurch könnten Kinder viel effektiver und ggf. ohne Medikamente behandelt werden.
Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass eine Gabe auch sinnvoll sein kann. Nämlich dann, wenn eine korrekte Diagnose gestellt wurde und die Symptome so ausgeprägt sind, dass das Kind oder die Umwelt so beeinträchtigt ist, dass das normale Leben sehr herausfordernd ist. Jedoch stimme ich zu, dass es nicht vorschnell verschrieben werden sollte, es nicht als alleinige Behandlung eingesetzt wird und es nur unter ständiger, intensiver Beobachtung verabreicht wird.
Euer Beitrag weckt auf und hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Vielen Dank dafür.
Quellen:
Radiological Society of North America (2014)
https://www.scinexx.de/news/medizin/adhs-hirnscan-gegen-fehldiagnose/
(zuletzt eingesehen am 17.11.22)
Liebe Grüße
Christina