Abbildung 1: https://www.welt.de/politik/deutschland/article219659004/Schulen-in-Deutschland-Fatales-Zeugnis-fuer-die-Inklusion.html
Inklusiver
Sportunterricht und seine Hürden –
Die Bedeutung des
Sportunterrichts in Bezug auf die Gesundheitsförderung bei Menschen mit
Behinderung
Gesundheit ist eine wesentliche
Voraussetzung für eine Partizipation am alltäglichen Leben. Anderseits ist Partizipation
auch eine Voraussetzung für die Gesundheit. Somit lässt sich festhalten, dass Gesundheit
und Partizipation in einer engen Verbindung stehen und sich gegenseitig
bedingen.[1]
Diese beiden Bereiche können bei dem Thema Sport und Bewegung verknüpft werden.
„[…] Die Behinderung
findet in einem selbst statt. Den größten Stress macht man sich selbst. Die
Grenzen kommen vom Kopf her. Man muss lernen, sich so zu akzeptieren, wie man
ist. Dabei kann Sport und der Kontakt zu anderen helfen."[2]
Regelmäßiger Sport und
Bewegung ist ein Faktor, der sich positiv auf die physische, psychische und
psychosoziale Gesundheit auswirken und somit auch zu einer besseren
Lebensqualität führen kann. Da bei Menschen mit einer Behinderung ein erhöhtes
Gesundheitsrisiko besteht, ist hier eine Förderung zentral. Jedoch entstehen in
diesem Bereich häufig Barrieren, die einen Zugang zu einer angemessenen
Förderung verhindern oder nur schwer ermöglichen. Dadurch haben Betroffene oft
keine Möglichkeit, aktiv ihre Gesundheit zu fördern. Zum einen liegt es häufig an
nicht barrierefreien Gebäuden, zum anderen liegt es aber auch daran, dass
benötigte Hilfsmittel für den Sportunterricht fehlen, mit denen individuell auf
die jeweiligen Bedürfnisse eingegangen werden kann. Des Weiteren fehlen im
Bereich der Institution Schule oft Lehrkräfte, die sich für einen inklusiven Sportunterricht
einsetzen.
Gerade die Schule hat die
Aufgabe der Gesundheitsförderung, da hier Kinder und Jugendliche mit und ohne
Behinderung „[…] über einen längeren Zeitraum konstant erreicht werden können.“[3]
Es sollte nicht um die Frage gehen, wie Menschen mit Behinderung integriert
werden können, denn sie beinhaltet den Gedanken eines defizit-orientierten
Verständnisses von Behinderung. Vielmehr sollte der Schwerpunkt auf Vielfalt
und Differenzierung eines gemeinsamen Unterrichts liegen.[4]
Hierbei übernehmen besonders Lehrkräfte eine Schlüsselposition.
„Ihre positive
Einstellung ist entscheidend für eine gelungene Gestaltung von inklusivem
Sportunterricht“ [5], welcher
Jugendliche mit und ohne Behinderung gleichermaßen fördert und positiv
beeinflusst. Das bedeutet für die Praxis, dass die Inhalte sehr weit gefasst
werden müssen und ein breites Spektrum an Aktivitäten angeboten werden muss,
welche in einem inklusiven Setting stattfinden und an die Bedürfnisse der
Schüler*innen angepasst werden müssen.[6]
Tiemann (2013) spricht in diesem Zusammenhang
von einem „6+1 Modell eines adaptiven Sportunterrichts”[7],
welches die zentralen Modifikationen sechs Feldern der Adaption zuordnet:
- Materialien: Materialien reflektiert auswählen
und möglicherweise deren Funktion in Bezug auf individuelle Person umändern und
deren Fertigkeiten anpassen.
- Lernumfeld: Welche Settings sind sinnvoll,
welche weniger? /auf welche Raumeigenschaften muss speziell geachtet werden?
- Regeln: Regelveränderungen können sinnvoll
sein, müssen aber zuvor genau reflektiert werden. Welche Regeländerungen können
behinderte Schüler*innen unterstützen? Welche wirken stigmatisierend?
- Aufgabenstellung: Wie können geschlossene Aufgabenstellungen
differenziert werden, damit unterschiedliche Lösungswege möglich sind?
- Sozialform: Welche Sozialform macht in Bezug
auf die Schüler*innen Sinn?
- Kommunikation: Wie muss die Kommunikation
modifiziert werden, damit alle Schüler*innen die Inhalte verstehen können?
Habt ihr Ideen, wie die sechs Felder der Adaptation in die Praxis umgesetzt werden können?
Neben diesen sechs
Feldern der Adaption muss die Lehrkraft die Bereitschaft aufbringen,
Vielfältigkeit bewusst wahrzunehmen und immer wieder aufs Neue zu prüfen, ob
das adaptive Sportangebot zu den Bedürfnissen der Schüler*innen passt. Diese
Reflexion kann zu neuen Anpassungen und Weiterentwicklungen der sechs
aufgeführten Felder führen.[8]
Außerdem sollte eine Lehrkraft Schüler*innen dazu befähigen, ihren eigenen Alltag bewegungsorientiert zu gestalten. Voraussetzung dafür ist der Spaß an Bewegung.
Abbildung 2: https://www.mobilesport.ch/aktuell/monatsthema-8-2019-inklusion-im-sport-in-der-schule-eine-einfuehrung/Grenzen von Bildungsinstitutionen an allgemeinbildenden Schulen
Im Sport allgemein
dominiert der Leistungsgedanke. Dieser prägt auch den Sportunterricht in der
Schule. Aus sportpädagogischer Sicht sollen Differenzierung und
Individualisierung zentrale Aufgaben im Sportunterricht sein, jedoch gelten
Leistungssituationen ebenso als wichtig.[9]
Ist es eurer Meinung nach
überhaupt möglich, in Leistungssituationen differenziert und individualisiert zu
arbeiten, wenn es am Ende darum geht, eine bestimmte Fertigkeit zu besitzen und
eine gewisse Leistung erbringen zu können?
Allein durch eine
Fokussierung im Sportunterricht auf bestimmte Sportarten, welche ein
diszipliniertes Üben voraussetzen, das mit einer gewissen körperlichen Leistung
verbunden ist, wird die Problematik der Individualisierung deutlich.[10]
Forderungen eines
inklusiven Sportunterrichts beziehen sich auf veränderte Wettkampfsituationen,
bei denen alle Kinder mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen ähnliche
Chancen für eine Teilnahme bei Wettkampfsituationen haben. Dies bedeutet, dass
„[…] äußere Differenzierungen aufgehoben werden und es infolgedessen zu einer
Auflösung oder zumindest Adaptierung der klassischen Wettkampfidee kommt.“[11]
Die Frage ist folglich,
wie Lehrkräfte Leistungen bemessen, da eine Notengebung in der Schule zentral
ist und den weiteren Werdegang bestimmt. In den kompetenzorientierten
Sportlehrplänen können Lehrkräfte dazu Hilfestellung finden. Diese sind jedoch
stark von einer Fertigkeitsorientierung geprägt, wodurch eine individuelle
Zielfestlegung problematisch wird, da es darum geht, wie gut die bestimmte
Fertigkeit ausgebildet ist.[12]
Zusammenfassend kann somit abschließend gesagt werden, dass die Sportdidaktik
durch die Forderungen der Inklusion umstrukturiert werden muss, aber dennoch
immer mehr eine Offenheit für inklusiven Sportunterricht festzustellen ist.[13]
Welche weiteren Herausforderungen bei einem inklusiven
Sportunterricht seht ihr?
Zum Abschluss haben wir
einen Link zu einem dreiteiligen Kurzfilm eingefügt, der von einem Lehrer
handelt, der einen körperbeeinträchtigten Jungen in seinen Sportunterricht
integriert hat. Er erzählt von Herausforderungen und Kooperationen sowie von
der Herausforderung der Leistungsbemessung.
Teil 1: Sport und Inklusion: Ein Schüler mit Behinderung in der
Sportklasse (Teil 1) - YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=-bGQHgR6WCw)
Teil 2: Sport und Inklusion: Ein Schüler mit Behinderung in der
Sportklasse (Teil 2) - YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=-XmBZDbPQgY)
Teil 3: Sport und Inklusion: Ein Schüler mit Behinderung in der
Sportklasse (Teil 3) - YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=tH4uoTmpsaQ)
Mehr Informationen zum Thema, sowie erfolgreiche
Umsetzungsversuche von gelungener Inklusion im Sportunterricht, findet ihr hier😊:
-
https://www.lebenshilfe.de/informieren/freie-zeit/thema-sport
-
https://instagram.com/spielerpass?utm_medium=copy_link
Habt ihr noch mehr Interesse? Dann könnt ihr gerne noch
Studien/ Bücher zum Thema anschauen 😊:
-
https://www.vollwertsport.de/shop/extern/buch-inklusion-im-sport/
-
https://cdn.dosb.de/user_upload/Inklusion-sport.de/Bilder/Sport-Inklusionsmanager/Handbuch-Inklusion-im-Sport_final_Endversion_18122018.pdf
-
Fragt
doch mal uns! Potenziale und Herausforderungen im inklusiven Sportunterricht
aus Schülerperspektive. Ruin, Sebastian; Meier, Stefan. Leipziger
Sportwissenschaftliche Beiträge: Jahrgang 59 (2018). Heft 1, S.67-87.
Literaturverzeichnis:
- Fediuk, Friedhold (2008): Inklusion
als bewegungspädagogische Aufgabe: Menschen mit und ohne Behinderungen
gemeinsam im Sport. Baltmannsweiler : Schneider-Verl.
- Giese, Martin; Weigelt, Linda (2015):
INKLUSIVER SPORTUNTERRICHT IN THEORIE UND PRAXIS. Edition Schulsport. Aachen:
Meyer & Meyer Verlag.
- Haveman, Meindert; Stöppler, Reinhilde
(2014): Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit geistiger Behinderung.
Handbuch für eine inklusive medizinisch-pädagogische Begleitung. Stuttgart:
Verlag W. Kohlhammer.
- Römisch, Kathrin (Hrsg.); Walther,
Kerstin (2019): Gesundheit inklusive: Gesundheitsförderung in der
Behindertenarbeit. Wiesbaden: Springer VS.
- Ruin, Sebastian (Hrsg.); Meier, Stefan
(2015): Schulsportforschung- Inklusion als Herausforderung. Aufgabe und Chance
für den Schulsport. Band 6. Berlin: Logos Verlag Berlin GmbH.
- Schober, Hannah (2021):
Chancengerechter Sportunterricht. Wie Inklusion Sportunterricht für alle
Schüler*innen möglich macht. Graz.
Quellenverzeichnis: - - https://www.allianz.com/content/dam/onemarketing/azcom/Allianz_com/migration/media/press/document/other/1208-Studie-Behindertensport_FINAL.pdf [abgerufen am 27.11.2021].
[1] Vgl.
Walther, K., Römisch, K. (2019), S. 3.
[2] https://www.allianz.com
[abgerufen am 27.11.2021].
[3] Haveman,
M., Stöppler, R. (2015), S. 272.
[4] Vgl.
Fediuk, F. (2008), S. 211.
[5] Ruin S. (Hrsg.);
Meier, S. (2015), S. 55f.
[6] Vgl. Ruin S. (Hrsg.); Meier, S. (2015), S. 55ff.
[7] Ruin S.
(Hrsg.); Meier, S. (2015), S.61
[8] Vgl.
Ruin S. (Hrsg.); Meier, S. (2015), S. 62f.
[9] Vgl.
Giese, M., Weigelt L. (2015), S.80
[10] Vgl.
Schober H. (2021), S.42f.
[11] Schober
H. (2021), S.48
[12] Vgl.
Schober H. (2021), S.44ff.
[13] Vgl. Schober, H. (2021). S.44
Hallo ihr drei,
AntwortenLöschenVielen Dank für euren Blogbeitrag, der mich dazu bewegt hat, über Inklusion im Sport genauer nachzudenken. Wie ihr schon thematisiert habt, ist Sport häufig mit einem Leistungsgedanken verbunden. Ich finde aber, dass vor allem im Freizeitsport auch der Spaß im Vordergrund stehen sollte. Hat man mehr den Spaß als die Leistung im Blick, lässt sich Inklusion einfacher denken. Natürlichen müssen auch hier eventuell Regeländerungen vorgenommen oder über Hilfsmaterialen nachgedacht werden.
Eine spontane Idee von mir war auch, alle Kinder mit einem Handicap zu versehen. Sind
beispielsweise einzelne Kinder auf einen Rollstuhl zur Fortbewegung angewiesen und alle möchten gemeinsam Basketball spielen, könnten alle Kinder gemeinsam Rollstuhl-Basketball spielen. So würde auch der Leistungsgedanke nicht verloren gehen und alle können mit gleichen Chancen um den Sieg kämpfen.
Liebe Grüße Elena
Liebe Elena,
AntwortenLöschenWir finden deine Idee sehr gelungen, da auf diese Weise der Blickwinkel geändert wird und Schüler*innen ein Verständnis dafür entwickeln, welche Barrieren im Sportunterricht mit Handycap entstehen. Wenn dieses Angebot gut bei den Schüler*innen ankommt, kann auch ein klassenübergreifendes Angebot in der Schule umgesetzt werden, bei dem alle Schüler*innen die Möglichkeit haben sich beispielsweise die Augen zu verbinden oder in einem Rollstuhl durch das Schulhaus zu fahren. Auf diese Weise entsteht eine Sensibilität für Schüler*innen mit bestimmten Einschränkungen und die Offenheit und Hilfsbereitschaft innerhalb der Schule kann gefördert werden.
Vielleicht hast du dir die Videos auch angeschaut und findest dort mögliche Ansatzpunkte oder mögliche Herausforderungen die sich in diesem Kontext ergeben könnten.
Liebe Grüße Benita, Matthias und Verena