Samstag, 29. Januar 2022

Intervallfasten: Die gesündeste Art, abzunehmen – oder auch nicht?


Abbildung 1
Mit dem Bild dieser beiden Mäuse aus dem Jahr 2013 wurde die Welt der Ernährung und Diäten auf den Kopf gestellt. Sie sollten der Beweis sein, dass es nicht ausschlaggebend ist, wie viele Kalorien ein Lebewesen zu sich nimmt, sondern wann. Die Pfunde purzeln wie es scheint fast von allein, obendrauf soll das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes massiv gesenkt werden, und sogar ein längeres Leben kann man sich anscheinend von der neuen Methode erhoffen. Was ist dran an diesen Thesen?

Was ist „Intervallfasten?“

Abbildung 2
Die Begriffe „Intervallfasten“ oder „intermittierendes Fasten“ bezeichnen Ernährungsformen, bei denen die Kalorienzufuhr auf bestimmte Zeitfenster begrenzt wird. Seinen Ursprung hat das Intervallfasten in der Erfindung der „2-Tage-Diät“. Diese Ernährungsform war ursprünglich für Brustkrebspatientinnen konzipiert worden, um ihnen eine einfache Möglichkeit zur Gewichtsreduktion zu bieten. Bei dieser Form des Fastens wird an zwei Tagen innerhalb einer Woche die Kalorienzufuhr auf maximal 650 kcal reduziert, an den anderen Tagen wird mediterrane Kost empfohlen. Die 5:2-Diät wurde aus diesem Vorgehen abgeleitet. Hier darf an 5 Tagen pro Woche normal gegessen werden, bezüglich der Auswahl der Lebensmittel werden keine konkreten Angaben gemacht (vgl. Backes o.D.). Bei der 16:8-Methode wird die Kalorienzufuhr an einem Tag auf ein Zeitfenster von acht Stunden begrenzt. Es liegen noch zahlreiche weitere Methoden zur Ernährung in festgelegten Zeitfenstern vor. „Intervallfasten“ ist also keinesfalls eine konkrete Ernährungsform, sondern bildet einen Überbegriff für verschiedenste Interpretationen der Ursprungsidee.

Woher kam der Hype? – Zu den Ergebnissen von Laborstudien an Mäusen und Ratten 

Die prominentesten Effekte sind in großen Teilen (noch) nicht durch Untersuchungen am Menschen nachgewiesen, es handelt sich um Studienergebnisse von Versuchen mit Labormäusen und -ratten. So konnte an Mäusen nachgewiesen werden, dass Intervallfasten das Risiko einer Diabeteserkrankung reduziert, insbesondere durch die Reduktion des Fettanteils der Leber. In den Tierversuchen konnte außerdem der Blutglucose- und Insulinspiegel der fastenden Tiere gesenkt werden (vgl. Hofmann 2017). Die steigende Lebensdauer, die mit dem Intervallfasten einhergehen soll, konnte ebenfalls an Mäusen (und sogar an Hefepilzen) nachgewiesen werden. Dies ist womöglich auf eine erhöhte Stressresistenz zurückzuführen, denn das Fasten triggert adaptive zelluläre Stressantworten, was wiederrum vor Erkrankungen schützen und Alterungsprozesse verlangsamen kann. Das verbesserte Stressmanagement der Zellen soll darüber hinaus die Widerstandsfähigkeit von Neuronen stärken. Bei männlichen Ratten wurde so die Verzögerung von altersbedingten Beeinträchtigungen der Gehirnfunktionen begründet. Bei Mäusen, die 11 Monate gefastet hatten, wurde ähnliches beobachtet. Die Fastenphasen sollen zudem die Apoptose, also die Selbstzerstörung von geschädigten Zellen fördern, was das Risiko an Krebs zu erkranken senken kann (vgl. Hofmann 2017).

Und beim Menschen?

Die Datenlage zur Beurteilung der gesundheitlichen Wirkung des Intervallfastens ist noch relativ dünn. Bisher hat sich allerdings gezeigt, dass die 5:2-Methode und eine herkömmlichen Reduktionsdiät sich in ihrer Wirkung auf Gewicht und alle Stoffwechselparameter nicht unterscheiden (vgl. Schübel et al. 2018). Eine andere Studie kam zum Ergebnis, dass die 16:8-Methode keine Vorteile im Vergleich zu drei über den Tag verteilten Mahlzeiten lieferte, weder im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion, noch bezüglich wichtiger Stoffwechselparameter (vgl. Lowe et al. 2020). Die Ergebnisse einer anderen Studie, bei der jeden zweiten Tag gefastet wurde, besagen, dass das Fasten einen positiven Effekt auf „eine Reihe biologischer Werte, die im Zusammenhang mit Gesundheit und Langlebigkeit stehen“ (Albat 2019) hat. Bei den angesprochenen Werten handelt es sich beispielweise um Entzündungswerte und die Konzentration des Schilddrüsenhormons Triiodthyronin. Um die Ergebnisse der Studie korrekt zu deuten, muss jedoch beachtet werden, dass die Vergleichsgruppe sich über die Dauer der Studie keinen kalorienreduzierenden Maßnahmen unterzogen hat. (vgl. Stekovic et al. 2019). Vorteile gegenüber einer klassischen Kalorienreduktion lassen sich aus dieser Studie somit nicht ableiten. In einer tschechischen Studie konnte jedoch der positive Effekt des Fastens auf Menschen, die an Diabetes Typ 2 erkrankt sind, nachgewiesen werden. Verglichen wurden die Aufnahme von zwei großen Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) mit der Aufnahme von sechs kleineren Mahlzeiten über den Tag verteilt. Werte, wie beispielsweise das Körpergewicht, Leberfett- und Blutzuckerwerte verbesserten sich signifikant (vgl. Kahelova et al. 2014).

Und jetzt?

Die bisher vorliegenden Ergebnisse zum Intervallfasten fallen im Vergleich zur medialen Euphorie eher ernüchternd aus. Der Leiter der genannten Studie zur 5:2-Methode Dr. Tilman Kühn sieht die Lage dennoch positiv. Er schlussfolgert, dass Intervallfasten eine geeignete Methode zur Gewichtsreduktion darstellt. Für viele Menschen ist es möglicherweise die bessere Wahl als eine herkömmliche Kalorienreduktion, da das Fasten weniger komplex in seiner Durchführung ist und das „Dranbleiben“ möglicherweise leichter fällt. Auch zu dieser Hypothese mangelt es bisher noch an gesicherten Ergebnissen (vgl. Eckert 2019). Hat man vor, sich gemäß einer intermittierenden Methode zu ernähren, sollte man sich im besten Fall vorher ärztlich beraten lassen, denn auch wenn das Intervallfasten für viele Menschen eine gute Wahl zur Gewichtsreduktion darstellt, muss eine solche Entscheidung insbesondere bei Vorerkrankungen wie z.B. Diabetes stets individuell abgewogen werden.

Intervallfasten im Unterricht?

Um den Schülerinnen und Schülern eindeutig die faszinierenden Wirkungen des Fastens auf den menschlichen Körper und dessen Vorteile gegenüber gewöhnlichen Diäten aufzuzeigen, mangelt es aktuell an wissenschaftlichen Belegen. Das Phänomen des Intervallfastens ist jedoch ein optimales Beispiel, um eine wissenschaftlich orientierte Herangehensweise an eine Thematik zu fördern und aufzuzeigen, dass auch populäre Meinungen und scheinbar sichere Nachweise stets kritisch zu hinterfragen sind. Auch das Untersuchen von Studien kann im Zuge der Thematik erprobt werden. An der erwähnten Studie von Stekovic wird deutlich, dass es sich durchaus lohnt, den Aufbau einer Studie genauer zu betrachten, um daraus Rückschlüsse für eine sachgerechte Interpretation der Studienergebnisse zu ziehen. Es bleiben also viele Fragen offen. Da in den nächsten Jahren jedoch mit einigen neuen Erkenntnissen zum Intervallfasten gerechnet werden kann, bleibt der Sachverhalt spannend.

Literaturverzeichnis

Albat, D. (2019): Was bringt Intervallfasten?
Online im Internet: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/was-bringt-intervallfasten/
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Backes, G. (o.D.): Intervallfasten.
Online im Internet: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/diaeten-fasten/intervallfasten/?L=0
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Eckert, N. (2019): Intervallfasten: Essen mit Blick auf die Uhr.
Online im Internet: https://www.aerzteblatt.de/archiv/205110/Intervallfasten-Essen-mit-Blick-auf-die-Uhr
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Hofmann, L. (2017): Intervallfasten. Auswirkungen auf Gewicht und Gesundheit.
Online im Internet: https://www.bzfe.de/fileadmin/resources/import/pdf/online_spezial_7_2017_intervallfasten.pdf [letzter Zugriff: 24.01.22]

Kahelova, H.; Belinova, L.; Malinska, H.; Oliyarnyk, O.; Trnovska, J.; Skop, V.; Kazdova, L.; Dezortova, M.; Hajek, M.; Tura, A.; Hill, M.; Pelikanova, T. (2014): Eating two larger meals a day (breakfast and lunch) is more effective than six smaller meals in a reduced-energy regimen for patients with type 2 diabetes: a randomised crossover study.
Online im Internet: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4079942/
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Lowe, D.; Wu, N.; Rohdin-Bibby, L.; Moore, A.; Kelly, N.; Yong, E.; Philip, E.; Vittinghoff, E.; Heymsfield, S.; Olgin, J.; Shepherd, J.; Weiss, E. (2020): Effects of Time-Restricted Eating on Weight Loss and Other Metabolic Parameters in Women and Men With Overweight and Obesity. The TREAT Randomized Clinical Trial.
Online im Internet: https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2771095
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Schübel, R.; Nattenmüller, J.; Sookthai, D.; Nonnenmacher, T.; Graf, M.; Riedl, L.; Schlett, C.; von Stackelberg, O.; Johnson, T.; Nabers, D.; Kirsten, R.; Kratz, M.; Kauczor, H.; Ulrich, C.; Kaaks, R.; Kühn, T. (2018): Effects of intermittent and continuous calorie restriction on body weight and metabolism over 50 wk: a randomized controlled trial.
Online im Internet: https://academic.oup.com/ajcn/article/108/5/933/5201451
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Stekovic, S.; Hofer, S.; Tripolt, N.; Aon, M.; Royer, P.; Pein, L.; Stadler, J.; Pendl, T.; Prietl, B.; Url, J.; Schroeder, S.;  Tadic, J.; Eisenberg, T.; Magnes, C.; Stumpe, M.; Zuegner, E.; Bordag, N.; Riedl, R.; Schmidt, A.; Kolesnik, E.; Verheyen, N.; Springer, A.; Madl, T.; Sinner, F.; de Cabo, R.; Kroemer, G.; Obermayer-Pietsch, B.; Dengjel, J.; Sourij, H.; Pieber, T.; Madeo, F. (2019): Alternate Day Fasting Improves Physiological and Molecular Markers of Aging in Healthy, Non-obese Humans.
Online im Internet: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1550413119304292
[letzter Zugriff: 24.01.22]

 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: https://www.aerzteblatt.de/archiv/205110/Intervallfasten-Essen-mit-Blick-auf-die-Uhr
[letzter Zugriff: 24.01.22]

Abbildung 2: https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/intervallfasten-was-wissenschaftlich-ueber-die-diaet-bekannt-ist-a-1283881.html#bild-6669be5f-0001-0004-0000-000001462788
[letzter Zugriff: 24.01.22]

3 Kommentare:

  1. Hallo Anja,
    vielen Dank für deinen interessanten Beitrag. Ich selbst habe bereits schonmal Intervallfaste über einen festgelegten Zeitraum gemacht, da ich auch von den positiven Wirkungen gehört hatte und Bekannte von mir gute Erfahrungen damit gemacht haben. Bei meiner Oma beispielsweise hat es sich positiv auf den Blutdruck ausgewirkt. Ich finde es spannend, dass es nur sehr wenige, wissenschaftliche Belege für den tatsächlichen, positiven Effekt von Intervallfasten gibt. Mir kommt hierbei der Gedanke, dass man das Thema Diät auch mit dem Thema „FakeNews“ kombinieren könnte. Heutzutage sind Zeitschriften voll mit Ernährungs- und Diättipps. Wenn man da mal genauer hinschauen würde, worauf sich einige Artikel stützen, wäre dies bestimmt spannend. Es könnte dazu beitragen, dass die Schüler*innen Artikel nicht direkt glauben, sondern Quellen zuerst kritisch hinterfragen.
    Liebe Grüße Annika

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    1. Hallo Annika,
      es freut mich zu hören, dass das Fasten bei deiner Oma einen so positiven Effekt hatte. Und ja, es hat auch mich überrascht, wie dünn die Datenlage zum Intervallfasten tatsächlich ist. Als ich mich, nachdem ich das Thema ausgewählt hatte, zum ersten Mal näher mit der theoretischen Fundierung des Themas auseinandergesetzt hatte, war ich beinahe geschockt, weil ich bei der medialen Aufmerksamkeit, die dem Fasten zugetragen wird, wesentlich mehr erwartet hatte. Ich bin gespannt, was sich da in den nächsten Jahren noch tut. Dein Vorschlag, das Thema Fake News mit einzubringen, bzw. das Thema Intervallfasten darin zu verorten, gefällt mir sehr gut. Denn gerade dieses Beispiel zeigt auf, wie genau man hinschauen sollte, bevor man "erwiesene" Effekte für bare Münze nimmt.
      Vielen Dank für deinen Kommentar!
      Liebe Grüße Anja

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  2. Hallo Anja,

    Intervallfasten ist meiner Meinung nach ein sehr aktuelles Thema, danke also für diesen spannenden Blogbeitrag!
    Besonders interessant fand ich, wie Annika bereits erwähnt hat, die geringe Anzahl von wissenschaftlichen Belege für einen tatsächlich positiven Effekt von Intervallfasten.

    Ich selbst habe auch schon 16-8 ausprobiert und kann von positiven Erfahrungen berichten. Es fiel mir leichter auf „unnötige“ Zwischenmahlzeiten zu verzichten und nicht aus Langeweile zu Essen, da der „Ess-Zeitraum“ schon vorbei war oder noch nicht angefangen hatte. Hat man sich einmal an das Uhrzeitenmodell gewöhnt, passt sich der Hunger auch an, zu Beginn fand ich es aber sehr schwer die 16 Stunden auszuhalten.

    Zu der Frage ob man Intervallfasten im Unterricht thematisieren sollte, bin ich der Meinung, dass es, je nach Altersstufe, sehr wichtig ist über verschiedene Ernährungsweisen und Diäten zu sprechen. Die Jugendlichen werden tagtäglich mit Tipps und Tricks zur „perfekten“ Figur konfrontiert, warum also nicht im Unterricht Klarheit darüber schaffen. Ich könnte mir vorstellen eine Gruppenarbeit zum Thema Diäten/ Gewohnheiten durchzuführen, jede Gruppe bekommt eine zugeteilt und soll die Vor- und Nachteile recherchieren und anschließend im Plenum präsentieren. Eine Ausstellung im Schulgebäude könnte auch zu mehr Aufklärung führen.

    Liebe Grüße
    Yeliz

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